Interview: BLACKOUT PROBLEMS – "Es nimmt schon ganz schön viel Kraft und Energie in Anspruch"

Von Alisa Knoll | 19. November 2024

Blackout Problems waren auf ausgedehnter RIOT Tour durch Deutschland, Europa und UK. Wir haben Anfang November Sänger Mario in Berlin vor ihrer Show zum Interview getroffen und ausführlich über Veränderungen der Band, das Touren und die emotionalsten Songs gesprochen.

Foto: (c) Bernhard Schinn
Foto: (c) Bernhard Schinn

Aufgrund der ausführlichen Antworten, die wir als interessant und wichtig erachten, hier der Disclaimer, dass es viel zum Lesen ist und je nach Lesetempo ca. 15-20 Minuten dauert. Da nicht jede:r diese Kapazitäten hat, haben wir uns entschieden, euch die Audio ebenfalls zur Verfügung zu stellen. Auch hier sei vorab gesagt, da es kein geplantes Audio-Interview war, waren Ton und Setting nicht dafür ausgelegt. Somit gibt es stellenweise Hintergrundgeräusche (bspw. Soundcheck), die als störend empfunden werden können. Dennoch viel Freude beim Lesen oder Hören.


OV: Wie geht’s dir?

Mario: Mir geht's gut. Ich bin gerade auf dem Weg der Besserung gesundheitlich. Ich hab mich auf einem Konzert angesteckt und so lange mit mir mitgezogen. Als wir letzte Woche in Prag, Krakau, Warschau waren, hab ich mich so durch die Konzerte durchgequält. Die Konzerte an sich haben so viel Bock gemacht, aber ich war voll geballert mit irgendwelchen Tabletten, dass ich irgendwie gerade aus gucken kann, dass ich auf der Bühne teilweise so richtige Schwindelmomente hatte. Aber ich wollte die auf keinen Fall absagen. Total bescheuert, dass man sowas macht. Wir waren so lange nicht in Polen und wir wussten, dass wird unser größtes Prag Konzert bisher und wollten versuchen das durchzuziehen, und wenn es dann am Ende an dir als Sänger hängt, dann willst du nicht alle im Stich lassen. Dann ziehst du halt durch, auch wenn dein Körper “Nein.” sagt. Es hat alles gut geklappt. Heute sind wir in Berlin, gestern in Leipzig und das war total super. 

 

OV: Wie war die erste Tour Hälfte? Gab es Highlights?

Mario: Es gab viele Highlights. Köln war unser größtes Konzert bisher, das war natürlich ein Highlight, weil es so groß war. Ein Tag danach waren wir in Paris und das war ein kleiner, zweistöckiger Club, der mit 300 Leuten komplett voll war. Den Tag vorher in Köln waren wir mit einem großen Beamer, einer Lichtproduktion und großer Crew, großer Bühne und so weiter.. Einen Tag später in einer kleinen Location in Paris, wo wir nicht mal unser eigenes Schlagzeug und unser eigenes Pult verwenden durften. Unser Sound auf den Ohren war alles totale Grütze, aber die Stimmung in dem Laden war so explosiv. Die Leute sind so durchgedreht, dass das eines meiner Highlights war. Ich dachte mir, hey was für eine geile Stimmung ist das denn hier. Wir waren so im Herzen von Paris und das nehme ich als totales Privileg wahr, dass wir in so Städte fahren dürfen. Als wir angefangen haben, da sind wir halt immer die Autobahn in Deutschland hoch und runter getingelt. Und jetzt fängt das seit paar Jahren an, dass wir auch mal raus aus Deutschland fahren können, mit unserer Musik und das ist ein tolles Gefühl, weil wir dadurch die Städte, in die wir fahren auf eine so interessante Weise entdecken können.

 

OV: Konzerte sind ja für den Musiker, als auch den Besucher sehr persönlich und das in anderen Städten und Ländern zu erleben, stelle ich mir sehr besonders vor.

Mario: Was du sagst lässt mich daran denken, dass die Leute mit ihren Geschichten und Gefühlen kommen und dann merkst du, krass die fühlen hier auch unsere Mukke, auch wenn wir tausend Kilometer von zuhause weg sind, aber die fühlen auf eine gewisse Art dasselbe wie du und ihr seid auf eine Weise miteinander verbunden. Total interessant. Da kam ein 50-jähriger Typ in Paris auf unser Konzert, mit unserer Platte in der Hand und lässt sich die unterschreiben und sagt uns, dass er uns heute zum vierten Mal sieht. Wo ich mir denke, hä wie cool? Wie cool, dass es sowas gibt und sowas passiert. Auch wenn wir weiterhin in einem sehr kleinen Spektrum unterwegs sind, wächst langsam diese Familie Blackout Problems und auf eine interessante Art und Weise. Sehr emotional was wir machen und mit unseren Hörer:innen verbinden. Viele Emotionen im Spiel.

 

OV: Würdest du sagen es gibt bei euch Unterschiede zu deutschen und zu internationalen Shows? Oder ist es am Ende doch sehr deckungsgleich, weil wie du sagst, alle haben ähnliche Emotionen?

Mario: Es ist schon unterschiedlich tatsächlich. Weil logischerweise, wenn wir in England spielen, die verstehen ja jedes Wort. 

OV: Das stelle ich mir gruselig vor.

Mario: Die ersten Male war ich auch wirklich nervös, ob die mich für mein englisch auslachen und mit dem Finger auf mich zeigen und sagen “Ih, der Deutsche versucht einen auf Englisch zu machen” aber das kam gar nicht. Dort verstehen die halt jedes Wort und wenn wir einen Song wie Murderer spielen, dann kriegst du eine Live Reaktion auf die Zeilen, weil die teilweise schon hart sind und du in den Gesichtern merkst “Wow, was hat er da gerade gesagt” Murderer ist da ein lustiges Beispiel, weil als wir den Song erste Male live gespielt haben, waren wir gerade in England auf Tour und haben das getestet und waren aufmerksam wie reagieren die Leute auf den Song. Da waren die manchmal bei den ersten zwei Strophen, die nicht aus unserer Perspektive erzählt sind “Yeah the best politician is a dead one yeah!!” und in der dritten Strophe lösen wir das ja auf mit “I disagree” und dann hast du richtig gemerkt, wie sie gerade nachdenken und dann kommt am Ende die Auflösung mit “Respect & Love” und man hat richtig gemerkt, wir haben die gedanklich gerade richtig auf eine Reise geschickt (lacht) und die haben es 1:1 verstanden. Und z.B. in Frankreich, wenn wir dort gespielt haben, waren dann andere Reaktionen auf andere Momente gegeben. Vielleicht weniger lyrisch, sondern dann waren die Highlights eher emotionale oder musikalische Momente. Aber ich hab dafür vielleicht auch einfach zu wenig internationale Erfahrung, um das jetzt so einzuschätzen, um zu sagen die einen sind so, die anderen sind so. Weil man kann ja auch quer durch Deutschland total geile und total komische Konzerterfahrungen machen. Und manchmal ist es auch vom Abend oder dem Vibe der Band abhängig, wie ein Abend wird. Aber wir sind schon sehr beschenkt mit einem sehr tollen Publikum. Unsere Leute sind total offen und frei, das merkt man auch wie sie mit unseren Mitbands - Sperling und Lake Malice - umgehen. Oder auch schon früher mit anderen Bands. Da haben wir schon das Glück, dass wir sehr offene Hörer:innen vor der Bühne haben.

OV: Den Eindruck habe ich auch, dass alle mit offenen Armen empfangen werden, egal ob man sie vorher kannte oder nicht.

Mario: Ja voll cool, dass das so funktioniert. Wirklich ein Privileg.

OV: Es gibt ja Shows, nicht zwingend bei euch, da unterhalten sich Leute während eines Voracts.

Mario: Ja, das haben wir als Vorband natürlich auch schon erlebt, da muss man als Band versuchen, die irgendwie zu catchen, dass wir ihre Aufmerksamkeit haben. Aber es gibt Bands, da gehst du hin und da willst du die Hauptband so dringend sehen, dass dir die Vorband nicht so wichtig ist.

OV: Das ist auch in Ordnung, aber da gehört ein gewisser Respekt dazu, wenn du dich lieber unterhalten möchtest, geh raus.

Mario: Das stimmt. Das würde ich mir dann auch wünschen, auch für andere Bands, die in der Situation sind, weil man fühlt da ja mit, weil man es kennt. Wobei lustigerweise, wenn ich selber auf Konzerte gehe, stehe ich davor und frage mich, wie machen die das, dass sie sich auf eine Bühne stellen. (lacht) Das ist bei mir manchmal ganz komisch. Ich hab einen sehr gesunden Respekt vor der Bühne.

OV: Spannend.

Mario: Wenn wir da jetzt runtergehen, haben unser Ding und die Band ist da und alles, dann fühl ich mich schon wohl. Aber wenn ich jetzt eine andere Band sehe, dann hab ich das schon auch in mir, dass ich Respekt davor habe “Wow die machen das und stellen sich da hoch!” Oder Konzerte sehe, wo ich wahnsinnig begeistert bin und denke: "Woah was ist das für eine Magie, die da gerade passiert." Ich hab vor Konzerten auch manchmal noch das Gefühl, hoffentlich gefällt es den Leuten, hoffentlich kommen welche (lacht) Wir haben jahrelang vor leeren Räumen gespielt. Gestern ging es mir so, da habe ich zu unserer Tourveranstalterin gesagt, “Hey ich hab immer noch das Gefühl, hoffentlich kommt jemand” obwohl wir ja wussten, das Ding ist fast ausverkauft.

 

OV: Was würdest du sagen hat sich an eurer Bühnenpräsenz und eurer Show geändert? Ich hab den Eindruck ihr seid eine Band die stetig wächst und nicht still stehen will. Musikalisch kann man das nachhören, aber was merkt man davon auf der Bühne?

Mario: Das geht bei uns alles Hand in Hand. Die Musik entwickelt sich, das ist ganz interessant, finde ich, jetzt bei unserem letzten Album, habe ich mich auch in Vorbereitung auf diese Tour, damit befasst alte Alben zu hören um zu checken wie haben wir damals Songs geschrieben, wie habe ich getextet und produziert. Ich hab da eine stetige Entwicklung festgestellt, die sehr natürlich ist. Wir sind interessiert daran uns weiterzuentwickeln, wir wollen Dinge ausprobieren, wir wollen Dinge optimieren, unser Bestes zu geben um weiter zu kommen in einer künstlerischen Sicht. Es gibt dort kein anderen Antrieb, als sich auszudrücken und künstlerisch es spannend zu gestalten und auszuleben. Das ist was Blackout Problems ausmacht. Wir sind keine Band, die wegen wirtschaftlichen Interessen, eine Band sind und sagen wir wollen möglichst groß und berühmt werden. Sondern, wir wollen uns ausdrücken, wir haben unseren Drang dazu Musik zu machen, uns macht das Spaß und so gibt's ein kleines Bausteinchen auf dem nächsten, ein Zahnrad geht ins nächste und dann entwickelt sich was. Wie unsere Bühnenaufstellung, die ist jetzt eine andere, wenn wir größere Bühne haben. Wir haben auf dem Highfield Festival z.B. zu sechst auf der Bühne gespielt. Wir hatten noch Leonie und Klara von Umme Block als Background Sängerinnen dabei. Wir haben jetzt ein paar Songs wo unser Backliner Daniel Gitarre mitspielt.. es entwickelt sich immer stetig ein bisschen was. Es ist immer noch so wie in den Anfangstagen, es ist kein wirklicher Masterplan da, sondern nur der Wunsch da, Musik, Kunst zu machen, es interessant zu machen und sich selbst herauszufordern. Ich hab manchmal schon das Feedback bekommen, ihr habt euch entwickelt und das finde ich total toll, weil dadurch merken wir, okay wir sind auch in den Augen der Hörer:innen nicht stehen geblieben. Es ist auch noch nicht angekommen, es ist immer noch Luft nach oben. Wenn wir noch größere Locations hätten oder mehr Budget, um in Licht und Video oder alles mögliche zu investieren, dann hätten wir wahnsinnig viele Ideen was wir machen könnten. Jetzt zur Zeit arbeiten wir einfach mit den Dingen, die wir gerade machen können und haben und fühlen uns wohl uns step by step weiterzuentwickeln.

 

OV: Das ist vermutlich eine Sache, die Fans gut annehmen, weil sie positiv überrascht sind wieviel man aus wenig rausholen kann. Ansonsten gibt es Konzerte mit riesigen LED Wänden etc und auf der Bühne passiert so viel.. bei euch passiert auch jede Menge, aber da sind eben keine LED Wände und aufblasbare Dinge, die von irgendetwas ablenken, deshalb bleibt so eine Show eher im Kopf, weil sie sehr handgemacht ist.

Mario: Das freut mich voll zu hören. Und die Shows sind sehr spontan und wandelbar. Heute haben wir das 14. Konzert und bei den letzten dreizehn Konzerten nie die selbe Setlist gespielt, wir haben immer etwas verändert, auch wenn es nur wenig ist. aber immer etwas. Das ist schön, dass das gemerkt wird und das die Show handgemacht ist, passt auch zur Musik. Einer meiner Lieblingskünstler auf der Bühne ist Bruce Springsteen und der schafft es 3,5 Stunden ein Stadion zu unterhalten ohne Explosion, ohne Feuerwerk, ohne leuchtende Armbändern, ohne krasse Lichtshow. Da gibt es ein paar Video Leinwände, dass man auch hinten was sieht, da gibt's eine gute Anlage, die den Sound gut im Stadion verteilt und dann gibt's einfach eine gute Setlist mit guten Songs, gute Bühnenpräsenz und das reicht. Du gehst dort nicht raus und denkst dir “Och schade, dass der kein Konfetti hatte” und das ist ein ganz tolles Vorbild, wenn ich an, wie macht man ein Set, wie gestaltet man ein Konzert, denke. Ich finde große Konzerte auch echt beeindruckend. Ich war auch beim Taylor Swift Konzert und fand es super beeindruckend, was die auf die Bühne gebracht haben, was da alles passiert, während einer Show, ist echt spannend. 

OV: Was auch alles möglich ist.

Mario: Ja, voll. Was alles technisch möglich ist. Bei Enter Shikari z.B. da passiert ja auch so viel, da ist so viel Video was weiß ich. Dann haben sie teilweise ihre LED Walls mit künstlicher Intelligenz designed. Also super spannend was da alles möglich ist, wir sind da in alle Richtungen offen und interessiert und probieren immer aus unserer Situation das Maximum rauszuholen, sodass die Leute, die auf's Konzert kommen einfach eine gute Zeit haben und eine gute Atmosphäre wahrnehmen, nachhause gehen und sagen "Boah das war cool."

OV: Du hast es gerade schon angesprochen, dass ihr die Setlist täglich anpasst. Nach welchem Schema geht ihr da?

Mario: Nach meinem Gusto (lacht) Es hat sich tatsächlich ein bisschen raus entwickelt, dass ich gemerkt habe, die Setlisten Gestaltung ist bisschen was das auf meinem Schreibtisch liegt. Gestern war auch so: “Mach doch mal einen Vorschlag” und dann bringe ich einen Vorschlag und wenn dann noch irgendjemand kommt und sagt: "Hey lass doch noch das reinmachen" dann setzen wir uns hin und probieren es aus, wie ist die Stimmung. Es gab auch zwei, drei Konzerte wo ich danach dachte, da hat mir was gefehlt, dann schlage ich es vor und wenn alle anderen sagen, sie finden es gut, dann machen wir es so. Jeder kann natürlich logischerweise mitreden. Aber manchmal denken wir bei so einer Setlist an einen Spannungsbogen auch manchmal will ich es so behandeln wie ein DJ Set, dass halt ständig auch was läuft und dass da nicht zu viele Pausen drinnen sind. Es ist uns gestern tatsächlich gut gelungen. Es gibt Sets wo es nicht so richtig rund ist und dann fehlt irgendwas oder dann muss noch irgendwas passieren. Ich mag's manchmal nicht, wenn zu viele Pausen drinnen sind und ich das Gefühl habe und ich bin gezwungen etwas zu sagen. Ich will nur was sagen, wenn ich weiß was ich sagen will. Manchmal weiß ich einfach nicht. Ich will mir auch nicht im Vorfeld irgendwas überlagen, dass ich dann jeden Abend das selbe sage. Ich finde auch wichtig Setlisten zu ändern, weil ich zu schnell von Routinen gelangweilt bin. Das haben wir jetzt schon zum fünften Mal so gespielt, jetzt lass mal was anderes machen, weil es nervt. Es nervt, wenn man das Gefühl hat man rattert so was ab. Es muss immer spannend und neu bleiben.

 

OV: So ein Touralltag ist ja auch relativ gleich, mit einer Setlist, die auch gleichbleibt, kann ich es mir nach gewisser Zeit auch langweilig vorstellen.

Mario: Das hat auch was. Aber da gibt's auch unterschiedliche Ansichten. Unsere Crew, die würde es wahrscheinlich lieben, wenn wir immer die selbe Setlist hätten, weil sie einfach wüssten, was auf sie zukommt. Aber unser Lichttechniker z.B. der ist zum ersten Mal auf dieser Tour dabei und den konfrontieren wir immer wieder mit “Hey wir spielen jetzt den Song” und er sagt: "Den hab ich gar nicht vorbereitet." -  “Ja aber wir spielen den jetzt. Lass dich einfach reinfallen. Sorry!” (lacht) Wir fordern die manchmal. Aber sind ja auch Profis. Wenn es jemand schafft, dann die.

 

OV: Ihr steht nie still auf der Bühne, ihr habt eine endlos scheinende Energie. Wie bereitet ihr euch auf eine Tour vor? Gibt es besondere Workouts?

Mario: Ich wünschte, ich könnte sagen Ja. Aber ich hab es einfach nicht geschafft mich vorzubereiten. Ich würde mir wünschen, ich könnte regelmäßig in Sport gehen und würde mich wirklich auf Touren vorbereiten. Ich hab das mal von Campino gehört, bevor sie auf Tour gehen, drei Monate vorher anfängt regelmäßig joggen zu gehen. Das sieht man ja auch. Die spielen ja meistens drei Stunden und er rennt die ganze Zeit von rechts nach links, das ist irre. Wir haben noch nicht so ein komfortables Leben, wo wir uns, wenn wir nicht auf Tour sind, uns sozusagen nur darauf vorbereiten können, sondern wir müssen dann halt noch hier und da arbeiten, dann schafft man es manchmal nicht. Ich hab mich viel zu wenig sportlich betätigt, aber hilft nichts, muss man irgendwie durch.

 

OV: Aber man merkt es euch nicht an, dass die Energie nachlässt.

Mario: Das ist schön zu hören. Blake von Lake Malice hat mich auch schon gefragt, machst du eigentlich Sport? Nee, ich wünschte ich könnte sagen Ja! 

Es nimmt schon ganz schön viel Kraft und Energie in Anspruch, das merke ich. Die Tage sind echt lang, man kommt sehr wenig zum Schlafen und es ist schon wahnsinnig kräftezerrend auf Tour zu sein.

 

OV: Thema Bühnenoutfits. Ihr habt 2015 zu mir gesagt, ihr zieht nur das an was ihr gut findet. Mittlerweile passt ihr mehr und gut zusammen. Was ist da los?

Mario: Wir haben angefangen uns bühnenoutfitmäßig mehr abzusprechen und dann z.B. Jacken zu machen mit denen wir anfangen rauszugehen. Jetzt haben wir eine Hörerin, die heißt Linda und die hat uns tatsächlich Bühnenoutfits geschneidert. Ich find's voll gut, weil wir haben alle einen unterschiedlichen Kleidungsstil und wir sind jetzt auch keine Typen, die viel Zeit damit verbringen sich Gedanken darüber zu machen was sie im normalen Leben tragen, glaube ich. Ich, zum Beispiel bin keiner davon. Wenn wir auf die Bühne gehen ist es schön zu wissen, wir haben eine Kiste dabei, da sind so ein paar Jacken drinnen oder dann nimmt sich jeder was raus und wir passen ein bisschen besser zusammen. Es ist ein bisschen wie ein Ritual und gleichzeitig schweißt es uns zusammen und bereitet uns auf eine Art und Weise vor. Es gibt nicht mehr dieses komplette durcheinander. Mir macht das Spaß und ich hätte da auch Lust weiter zu experimentieren und zugucken wie kann man unsere Musik und unsere Videos, das alles, mit unseren Klamotten verbinden. Wie kann das alles so ein Gesamtding werden?

OV: Du hattest es vorhin schon mal kurz von Taylor Swift. Kennst du die Theorie, dass der 5. Song auf ihren Alben der emotionalste mit den tiefgehendsten Lyrics ist?

Mario: Noch nie gehört. 

OV: Fans ist es irgendwann mal aufgefallen und sie hat es wohl aufgenommen und alle fiebern auf den 5. Song hin. Ich nehm' es dir vorweg, ich glaube bei euch ist es nicht so, aber welche wären es denn bei euch? Puzzle ist der 5. auf dem aktuellen Album

Mario: Ich weiß gar nicht was es bei DARK ist? Lady Earth?

OV: House on Fire.

Mario: Ahja stimmt. Bei uns bewegen sich die emotionalsten Songs eher Richtung Ende vom Album. Wenn ich jetzt an KAOS denke, dann ist Charles der letzte Song, der ist sehr emotional. Oder auf KAOS auch Holly. Auf DARK ist es Heaven, das ist der vorletzte. Der ist sehr emotional. Auf RIOT ist es TALKTOME (II) würde ich sagen. Was ist beim Text schreiben festgestellt habe ist, wenn ich etwas schreibe, was mir selber persönlich nahe geht und was ich selber auch gar nicht so richtig erzählen will, dann wird's gut. Wenn ich anfange zu schwitzen beim Schreiben und mir denke "Oh shit ey das geht mir richtig nahe", dann sind es immer Songs, die Gewicht haben und bleiben. Auf DARK ist es auch Darling - das ist so ein Song, da hab ich beim Schreiben gemerkt, dass liegt mir voll am Herzen, das muss ich los werden. Oder jetzt beim aktuellen Album, da merke ich dass ich über Sachen schreibe, die so privat und persönlich sind, die Menschen über die ich ja schreibe, die gibt's und ich kann denen das manchmal gar nicht erzählen “Hey ich hab nen Song über dich, unsere Situation geschrieben” Dadurch traue ich mich das manchmal in Interviews gar nicht zu erzählen, um was es eigentlich wirklich in dem Song geht. Einfach weil ich damit ja auch in meinem Privatleben konfrontiert werden kann. Ich aber gleichzeitig beim Songwriting spüre, mich zieht es schon wieder zurück zu diesem Thema, ich schreib schon wieder darüber. Ich muss das jetzt los werden. Das war bei RIOT ganz essentiell, dass ich eigentlich mir dachte, es gibt so bestimmte Themen, über die würde ich gerne schreiben, aber ich komme immer wieder zurück zudem, ich muss mir das jetzt von der Seele schreiben und danach geht's mir besser. Und so war's dann auch. In der Promophase von RIOT, da war das so frisch, dass ich teilweise nicht drüber reden konnte und vielleicht alles ein bisschen verschleiert ausgedrückt habe und die Leute auch bisschen im Dunkeln gelassen habe, um was es eigentlich geht. Aber wenn man bei unserer Musik richtig tief eintauchen will, dann kann man das machen. Das ist mir ganz wichtig, dass hinter jeder Zeile auch was steckt. Ich liebe das bei anderen Künstler:innen, wenn ich da merke “Oh, da ist Gehalt da. Da kann man tief tauchen und was raus finden” Das finde ich bei uns auch wichtig und gut, wenn ich merke, oh okay das kommt von der Seele.

 

OV: Jede:r taucht für sich auch anders in die Songs rein..

Mario: Ich finde Musik und speziell unsere Musik ist der einzige Ort, wo ich mich richtig fallen lassen und ehrlich sein kann, weil ich mich eigentlich vor niemanden rechtfertigen muss. Ich kann einfach los schreiben und danach auch analysieren, was hab ich da eigentlich geschrieben. Manchmal denke ich mir auch, was für dunkle Sachen da teilweise rauskommen. So düster, aber okay, das steckt wohl in mir drinnen und muss wohl raus. Und in unserer Musik kann es raus. Dadurch kann ich mich auch wieder selber mehr in Balance finden. Da kommen wir sehr zurück zum Anfang von unserem Gespräch, weil wir darüber gesprochen haben, was ist eigentlich Blackout Problems. Blackout Problems ist einfach eine Art, ein Vehikel wo man sich künstlerisch und musikalisch ausdrücken und ausleben kann. Einfach los lassen kann. Das soll es sein und das merke ich immer wieder beim Schreiben und Texten, ich lass da alles rein, was mich umtreibt.

 

OV: Perfekt, dass du das für dich als Ventil hast und nicht nur mit dir alleine ausmachen musst. 

Mario: Ich empfinde das als totales Privileg so etwas zu haben und mir ist auch bewusst, dass das viele Menschen nicht haben, dass manche vielleicht Sport machen, ein Bild malen oder irgendwas oder gar nichts kreatives, sondern ganz andere Dinge machen, um mit ihren Sachen klar zu kommen. Das ist mein Weg und ich wünsche jedem, dass er einen Weg findet, so weh es auch manchmal tut, so sehr kann es manchmal auch helfen. Bei mir ist es genauso mit Literatur, ich lese gern und fühl mich manchmal geborgener, wenn ich in ein Buch abtauchen kann. Ich hoffe, dass da jeder auch etwas findet, wo man sich zurück legen kann.

 

OV: Ohne diesen Vibe zu killen, frage ich dich ganz abrupt, weil wir das Tempo etwas anziehen müssen:
Ihr habt erzählt, dass der Sandwich Maker euer treuer Begleiter ist. Was ist die beste Sandwich Kombination, die ihr schon kreiirt habt? 

Mario: Der Sandwich Maker ist zurzeit im Proberaum, der wird erst rausgeholt, wenn wir nach England fahren. Zurzeit sind wir in Deutschland unterwegs und werden sehr verwöhnt mit gutem Essen. Da werden wir mittlerweile toll umsorgt. Wenn wir nach England fahren ist das oft was anderes. Da steht oftmals eine kalte Platte mit Toast und dann kommen wir mit unserem Sandwich Maker und fangen an für was kurzes Warmes zu sorgen, an dem Tag. Bei mir ist ganz wichtig: eine Scheibe veganen Käse, aber mehr nicht. Das ist mein Ding, nicht zu viel Käse. Ich weiß das ist jetzt nichts wahnsinnig aufregendes, aber das ist es. 

OV: Hätte ja nur sein können, dass ihr schon viel rumexperimentiert habt.

Mario: Ja schon, auf jeden Fall. So jemand wie Paul, unser Film - und Fotomensch ist da auf jeden Fall sehr viel kreativer, sehr viel experimenteller, als ich. Ich bin eher so der Klassiker. Gewürze sind wichtig.

OV: Hast du Bock zu malen?

Mario: Okay. Da bin ich wirklich grauenhaft. Let's do it.

OV: Du darfst mir jetzt einen Einblick in euren Tourbus geben und ich stell dir noch ein paar Fragen nebenbei.

Mario: Oh, oh. (lacht) Wie malt man am besten einen Müllhaufen?

 

OV: Wie schmeckt Tourleben bei euch? Nach Käse Sandwich?

Mario: Nee, was wir mittlerweile auch machen ist, dass wir ganz gerne gerade speziell in England, wenn wir … da liebe ich es ja Tee zu trinken. Marcus sucht da immer so Specialty Coffee Stores raus, weil er da einen guten Riecher für hat, das ist auch sehr geil. 

OV: Also schmeckt euer Tourleben nach Kaffee?

Mario: Ahh, nee, geht. Ich kann leider nicht so viel Kaffee trinken, wenn ich singen muss, das tut mir irgendwie nicht gut. Ich trink schon sehr viel Wasser und Tee. Das ist nicht so spannend, ge?

OV: Man kann die Frage sonst auch als Metapher sehen. Andere Bands haben schon gesagt, es schmeckt salzig…

Mario: Ja, es ist schon sehr salzig bei uns, weil sehr viel Schweiß immer vergossen wird und unsere Bühnenklamotten im Bus hängen, die sind schon sehr maßgeblich für den Geschmack im Bus.

 

Mario: Ich male dir jetzt hier… ich bin echt schrecklich im Malen.. 

 

OV: Beende folgenden Satz.
Auf den Tourabschluss in München kann man sich auf … freuen.

Mario: Eine sehr geile Band, die dort Special Guest sein wird. Und natürlich auf ein sehr schönes Blackout Problems Konzert, wir freuen uns. Wir freuen uns irre. Ich mein, wir spielen in der Muffathalle, das ist echt gigantisch. Ich glaube, das wird ein richtig runder Abend, den sollte man nicht verpassen.

 

OV: Worüber freust du dich am meisten am Catering?

Mario: Das gib'ts bei uns nicht, weil's nicht aufm Rider steht, aber ich hätte zwei Sachen, die ich mir auf unserem Rider wünschen würde, aber wir wollen den nicht zu groß machen, weil wir nicht abheben wollen. Aber ich hätte gern so eine Saftmaschine, wo man frischen Obstsaft machen kann, das fände ich richtig geil. (grinst) Und ich hätte gern, hab ich mir überlegt, eine Tages - oder Wochenzeitung a la ZEIT oder SZ (lacht) Das fände ich mega geil. Jedes Mal wenn wir da (Location) reinkommen, gibt's Kaffee und 'ne Zeitung, kannst dich da hinsetzen und erstmal lesen. Das fände ich richtig deluxe. Aber ansonsten freue ich mich zur Zeit immer auf Smoothies und was es gibt, ich lass mich überraschen. Gestern gabs super Essen. Da hat eine ganz tolle Köchin, tolles Essen gemacht. Ich lass mich überraschen, ich bin nicht so krass fordernd. Wie du schon an meiner Toastkombi gesehen hast, ich bin ein einfacher Mensch.

 

Mario: So, ich habe das jetzt sehr hässlich gezeichnet. Aber: Des sind die letzten zwei Reihen im Bus. Mittlerweile sitze ich oft auch vorne, aber gerne sitze ich auch ganz hinten links am Fenster und schaue raus. Dort habe ich eine Wolke gezeichnet wo es regnet und eine Sonne, die scheint und ich sitze da dort mit einem Buch in der Hand. Und ich hab da hinten, das hab ich nicht wirklich gezeichnet, aber vor mir sitzt in dem Fall immer Mo und ich hab an seinem Sitz immer eine Leselampe und manchmal ist es geil, wenn ich die Zeit hab und die Ruhe und nicht im Laptop irgendwas machen muss, sondern einfach lesen kann und einfach aus dem Fenster gucken kann, dann genieß ich das sehr. Sehr meditativ.

OV: Hast du da was auf dem Kopf?

Mario: Ich hab mir versucht einen komischen Hut zu zeichnen.

OV: Weil du ein Hutträger bist?

Mario: Nee, ich weiß nicht… Ich hab einfach gedacht, dass kriege ich noch hin zu zeichnen. 

OV: Ja, cool.

Mario: Ich bin schrecklich im Zeichnen.

OV: Nein, um Gottes Willen. Ich find das interessant und gut.

 

OV: Ein Song für unsere Playlist, der von euch ist und ein Song, den ihr gemeinsam feiert, euch verbindet…

Mario: Lass TALKTOME (II) nehmen. Wir haben vorhin drüber geredet und das würde ganz passen. Das ist keine Single, ein sehr langer Song, ich glaube der geht 5-6 Minuten lang. Wenn ihr Bock habt, taucht da ein und lasst euch fallen.  Ein Song, der uns verbindet? Zur Zeit läuft immer nach unserem Konzert Natasha Bedingfield mit ihrem Song.

 

OV: Ich danke dir. Ich hab nicht alle Fragen gestellt, die hebe ich mir auf.

Mario: Lass uns wieder treffen. Danke dir!

Marios Zeichnung
Marios Zeichnung