Das Album "Hurra die Welt geht unter" ist auf Platz Eins der Charts. Und warum? Wahrscheinlich, weil sie „bloß Gott“ sind. Und auch, wenn sie „nicht aus Menschenfleisch“ bestehen, haben sie ein paar Fragen beantwortet.
Wie kam es zu diesem neuen Album mit diesem Thema?
Tarek: Das ist kein Konzeptalbum. Das Einzige, was wir uns vorgenommen haben, war, dass jeder Song ein Thema haben sollte und dass da jetzt keine Battle-Tracks sein sollten, wo wir erzählen, wie wir den Geschlechtsakt mit Müttern vollziehen. Solche Songs sollten da nicht drauf sein. Das ist eigentlich das Einzige, was wir uns vorgenommen haben. Das ist entstanden, weil wir mal was Neues für uns selber machen wollten und mit etwas Neuem um die Ecke kommen wollten.
Aber es ist schon konkreter als Alben vorher...
Maxim: Vielleicht was eine Rolle gespielt hat, dass dieses ständige Ironisieren auch extrem in Mode gekommen ist und auch von vielen Leuten, die von dem Inhalt dessen, was sie da ironisch ausdrücken, überhaupt gar keine Ahnung haben und das ein bisschen nervig ist und man vielleicht dann auch das Gefühl hat, von wegen nochmal zu zeigen an ein paar Stellen…das Bedürfnis hat, mal was sehr Unmissverständliches zu sagen, wo einen Leute auch mal für hassen können.
Ist das jetzt also politischer?
Maxim: Nein, der Inhalt war immer irgendwie vorhanden, nur in einer anderen Form. Das ist alles. Es kam ja immer auch durch Umwege in irgendwelchen Battle-Rap-Punchlines was vor. Ich glaube, es war wirklich in dem Moment, als wir diese Songs geschrieben haben, nur dieses Ding: „Hey, warum nicht mal das jetzt machen?“ Wir haben ja auch ganz früher - weil wir für unsere Special Edition, die man übrigens käuflich erwerben kann - CDs gemacht mit ganz, ganz alten Songs, also von vor 15 Jahren. Da haben wir so ein paar Dinger von Nico und mir entdeckt, wo wir so richtig bierernste politische Sachen [gemacht haben], die richtig scheiße sind, aber weil wir auch vielleicht noch nicht so weit waren und auch musikalisch überhaupt noch nicht so weit waren. Also ich will nur sagen, das ist jetzt nicht irgendwie was, was jetzt die Zeit braucht oder irgend so einen Scheiß, sondern das ist, was wir gebraucht haben vielleicht.
Nico: Es war nicht die Herangehensweise: „Mensch, da müssen wir jetzt mal ein Album drüber machen, sondern wir haben das Album ja vor vier Jahren angefangen und über irgendwelche Sachen wie Flüchtlingspolitik oder was ich was quatschen jetzt die Leute zur Zeit gerade und das passt uns ganz gut in den Kram, dass das Album auch ganz gut dazu passt. Das war aber jetzt nicht irgendwie: „Mensch, da reden jetzt alle drüber. Jetzt lass mal schnell ein Album darüber machen!“
Ihr benutzt Propaganda-Videos im Zusammenhang mit diesem Album. Wie seid ihr auf die Nazi-Verweise gekommen?
Nico: Das sind rein optisch Sachen, die sich über die Jahrzehnte bewährt haben. Das sieht gut aus, hört sich gut an, das Ernst Busch Liedgut oder Eisler Liedgut. Da wir sowieso mal allen wieder zeigen wollten, dass wir die einzig wahren Herrscher sind, hat sich das angeboten.
Das ist aber schon ein besonderer Stil....
Maxim: Wenn man so etwas sich mal ein bisschen angehört hat, der Stil ist ja dann irgendwann klar und die Melodien ähneln sich auch alle sehr, vor allem, wenn man die nicht direkt von Eisler geschriebenen Sachen nimmt, dann hört sich alles irgendwie nach Arbeitereinheitsfront oder so was an. Natürlich war das erst einmal so ein Vorbild und dann haben wir noch den Konrad Böttcher dabei gehabt, der dann bei der Komposition geholfen hat, dass es dann doch ein eigener Song ist.
Was hat das Kannibalenlied in diesem Zusammenhang zu bedeuten?
Nico: Das war eigentlich relativ unabhängig von dem Album entstanden. Also es war einfach nur die Idee: „Hey, wir brauchen mal eine Hymne, weil wir so geil sind.“ Dann hatte der Berliner Kneipenchor - an dieser Stelle nochmal vielen Dank - zufällig Zeit, in der Zeit, wo wir unsere Promo angefangen haben, das Lied aufzunehmen und dann haben wir uns gedacht: „Mensch, das passt eigentlich gerade ziemlich gut, dann machen wir das nochmal schnell noch fertig.“
Mit diesem Album provoziert ihr auch wieder mächtig. Macht das eigentlich Spaß, wenn Leute einen nicht gut finden?
Tarek: Ja klar, es macht natürlich megaspaß, Leuten an den Karren zu pissen. Es ist jetzt nichts, was man sich vornimmt, aber wenn das passiert, dann freuen wir uns natürlich. Es ist ja doof, wenn die Musik einen kalt lässt.
Nico: Also es kommt immer darauf an, womit du aneckst. Wenn du jetzt damit aneckst, dass rausgekommen ist, dass du deine Kinder schlägst, dann finde ich das vielleicht nicht so geil. Das gehört in meine vier Wände, wenn ich das mache. Und dann kommt es natürlich darauf an, wer das scheiße findet. Wenn es jemand scheiße findet, den ich per se gut finde, dann bin ich natürlich traurig. Aber wenn das ein reaktionärer Zeitheini ist, dann finde ich das völlig ok.
Ihr wettert in vielen Songs gegen politische Missstände...
Tarek: Da gibt es auf jeden Fall einige Themen sehr direkt und unmissverständlich angesprochen. Bei „Boom Boom Boom“ zum Beispiel. Bei „Was würde Manny Marc tun?“ eigentlich auch. Bei sehr vielen Songs. Bei „Geld“ auch.
Nico: Ob das jetzt wahre Geschichten sind oder von der Wahrheit inspirierte Geschichten sind, aber es gibt auch viele Rollen, in denen man sich auch wieder auf diesem Album reinversetzt, wie der Typ, der sich in einer Disko jemanden zum Vergewaltigen sucht und danach auf den Kirchentreppen verbrennt. Klar gibt es in der Hinsicht auch viel Ironie auf dem Album, aber natürlich ist diese Aussage, dass die Ironie jetzt weg ist bei uns, einfach nur daraus gewachsen, dass bisher nur ein einziger Song herausgekommen ist und bei dem ist halt nichts ironisch, aber sehr viel weniger als vorher.
Wie seid ihr an die Songs rangegangen?
DJ Craft: Es gibt auf dem Album einen musikalischen roten Faden. Es ist wirklich alles aus einem Guss entstanden, was das finde ich auch alles zusammenfügt und auch auf ein neues Level hievt. Es ist auch schwierig, über Texte oder die Musik zu sprechen. Das muss man halt selber hören. Jeder sollte sich das Album anhören und sich der Stimmung der Platte hingeben und dann halt das rausziehen, was er versteht oder was ihm gefällt oder nicht gefällt. Dann kann man auch nochmal drüber reden. Also ich muss sagen, das ist die beste und am besten ausgearbeitete K.I.Z Platte, die es je gegeben hat.
Gibt es Grenzen der Provokation?
Maxim: Nein. Was heißt Grenzen? Ja, irgendwann kommt die Polizei und nimmt dich mit oder nimmt vielleicht dein Album mit. Da wäre ich natürlich ziemlich traurig.
Habt ihr das schon einmal erlebt?
Maxim: Bei Indizierung und so etwas? Ja, dann muss man halt hingehen und einen Anwalt bezahlen, ein bisschen nachdenken vorher und ein bisschen nachdenken währenddessen. Aber ansonsten ist eigentlich nur mein Ding, ob mir das dann gefällt, ob ich das schön finde, ob ich das cool finde, ob, wenn ich so ein Terroristenvideo mache, ob ich da als zu sadistisch dastehe und mir gefällt das einfach geschmacklich nicht. Aber die Grenze hat man dann irgendwie selber in der Hinsicht. Das ist aber eine ästhetische Grenze.
Das Album heißt „Hurra die Welt geht unter“. Das bedeutet ja eine Art Zusammenbruch der derzeitigen Strukturen.
Ist der Zusammenbruch eine Möglichkeit, positiv in die Zukunft zu schauen?
Maxim: Zusammenbruch klingt ja so ein bisschen passiv. Da lässt man ein bisschen außer Acht, was dazwischen noch passiert. Der Gedanke bei dem Song war einfach nur, dass immer wenn es Weltuntergangsszenarien gibt, von Mad Max bis Zombiegeschichten, dann ist es nur ein Ausdruck von einer Angst davor, wie es sein würde, wenn die bestehende Ordnung nicht da wäre. Es ist immer nur so ein Ausdruck der Liebe zur bestehenden Ordnung auf einer gewissen Art und Weise. Da einfach mal zu denken: „Nö, denken wir das Ganze doch mal andersrum.“ Das war erst einmal der Gedanke, der dabei war.
Ist es denn grad so, dass alles still steht und die bestehende Ordnung alles lahm legt?
Nico: Ich finde es gar nicht stillstandmäßig. Es ist mehr so: Es geht immer weiter nach unten und es wird immer schrecklicher. Irgendwann gibt es nichts mehr zu fressen. Dann drehen alle durch. Das werde ich hoffentlich noch miterleben, aber ich glaube eher nicht mehr.
Tarek: Getrocknete Insekten sind ja die Zukunft der Ernährung in der Dritten Welt.
Maxim: Also es gibt schon in Asien auf jeden Fall Proteinshakes auf Insektenbasis.
Tarek: [im Hintergrund] Mach dir keine Sorgen Nico!
Maxim: Aber das ist ja nicht der Grund, warum Leute hungern, dass die Insekten alle sind…weil die Schweine einfach faul sind und nicht arbeiten gehen wollen. Das wissen wir alle.
Für das Album sieht man euch Reden halten. Habt ihr euch da was bei Berühmtheiten abgeschaut?
Maxim: Ja, es gibt so eine Fotoreihe von Hitler wie er beim Reden Posen hat. Die habe ich mir angeguckt. Ansonsten ist Gerhard Schröder ein großes Vorbild. Chruschtschowist ein großes Vorbild. Marcel Reich-Ranicki ist ein großes Vorbild. Es gibt überall interessante Leute, die eine interessante Art haben, zu reden und dominant sind, aber Hitler war gleichzeitig dabei auch so lächerlich. Dadurch ist der eigentlich auch auf jeden Fall ziemlich gut. Weil er das körperlich eigentlich überhaupt nicht so richtig verkörpern kann, hat man das Gefühl, dass ihm gleich die Finger brechen, wenn er versucht, eine Faust zu machen. In der Hinsicht finde ich ihn eigentlich auch sehr interessant…der junge Hitler. Also ich fand nur den jungen Hitler cool, also mit dem, was er danach gemacht hat, konnte ich echt nix anfangen. Davon distanziere ich mich komplett. Schöne Bilder hat er gemacht [lachen].
Wer hat bei der Produktion des Albums mitgeholfen?
Nico: Mitgeholfen bei der Produktion zum Beispiel haben Kev Beats und Moses Schneider. Also wir haben das bis auf ein, zwei andere Leute noch, eigentlich zu dritt mehr oder weniger „executive produced“. Musikalisch haben uns unter die Arme gegriffen der Berliner Kneipenchor, Sefo hat uns einen Refrain gesungen. Henning May on AnnenMayKantereit hat uns einen Refrain eingesungen. Manny Marc von den Atzen hat uns einen Refrain eingesungen und Audio88 und Yassin haben zwei Strophen zu unserem Album beigesteuert. Das sind einfach alles Künstler, die wir schätzen und dachten, die können wir eiskalt für unsere Sache ausnutzen und instrumentalisieren.
Habt ihr Henning May durch Moses Schneider kennengelernt, der auch ihr Album produziert?
Nico: Nein, das ist uns erst später aufgefallen…unser Manager meinte: „Der Typ muss euch den Refrain singen. Das passt wie Arsch auf Eimer.“ Dann haben wir uns mit dem getroffen. Das ist ein sehr, sehr netter junger Herr, sehr junger Herr. Ich war sehr überrascht, was für eine Stimme aus diesem jugendlichen Körper herauskommt. Sefo hat Tarek glaube ich mal beim Essen in Neukölln kennengelernt. Audio88, Yassin und Manny Marc sind jahrelange geschätzte Kollegen.
Eure Homebase ist Kreuzberg und der Görlitzer Park. Ihr singt ja auch über Flüchtlingspolitik. Gerade dort gibt es ja seit Jahren Auseinandersetzungen um eine von Flüchtlingen besetzte Schule und die Drogendealer im Park, die oft auch Flüchtlinge sind, die versuchen, Geld zu verdienen. Wie nehmt ihr das wahr?
Maxim: Man hat es natürlich dann vor Augen die ganze Zeit, aber das ist ja schon vorher die ganze Zeit passiert. Man hat es ja auch schon vorher mitbekommen, bevor das jetzt so nah an einem war, jetzt räumlich gesehen. Dass da Leute im Meer ersoffen sind, das ja auch schon vor zehn Jahren passiert. Das ist eigentlich keine krasse Neuigkeit. Das ist halt jetzt wieder en vogue und es ist jetzt gerade aus diesem Grund wieder en vogue, weil es den Leuten…also das Wort Flüchtlingsproblem heißt ja…es ist ja ein Unterschied zu „die Flüchtlinge haben ein Problem“, sondern wir Deutsche haben ja dann das Flüchtlingsproblem.
Tarek: Man kann ja nicht mehr durch den Görli gehen ohne, dass eben ein Haschkeks angeboten wird.
Kann Musik heute noch was verändern?
Maxim: Das ist immer die Frage. Man darf Synchronizität und Kausalität jetzt hier nicht verwechseln. Also wenn nach den Scherben zum Beispiel ein Haus besetzt wurde, dann war das einfach auch die Zeit. Die waren dann halt Mitglied einer Bewegung, die zu der Zeit existiert hat und Häuser besetzt hat. Dann war das der Soundtrack dazu, aber das war nicht dir Ursache davon.
Tarek: Aber wenn die Leute sich hier von Insekten ernähren, dann wird unser Album der Soundtrack zum kommenden Aufstand werden. Da bin ich mir 100% sicher.
Vor kurzem habt ihr ein Konzert nur für als Frauen verkleidete Männer gespielt. Wie ist es eigentlich als Frau verkleidet zu sein?
Maxim: Ich kann es schwer sagen. Mein Charakter war ja die nice Elfe, leicht frivol, aber auch sehr…also ich war glaube ich die klassische Hure im Bett und Lady auf der Straße. Das war glaube ich so meine Persona. Es hat sich ganz gut angefühlt. Was beeindruckend war, war beim Shoppen gehen, als wir die Frauenklamotten gekauft haben, wie unfassbar aggressiv das Leute macht, dass du dir einfach mal ein paar schnieke Klamotten anziehst, oder wie verwirrt manche Leute sind: „Hier ist aber eine Frauenumkleide…nee, hier ist aber eine Männerumkleide!“. Ich so: „Ja, ich bin ja auch ein Mann!“ „Ja, aber das sind Frauenklamotten!“ „Ja!“ Das war sehr faszinierend, was heißt faszinierend, das ist ja nichts Neues, dass die Leute da alle in Schubladen denken.
DJ Craft: Ich habe mich auf jeden Fall empfindlicher gefühlt, also alleine wenn man ein Kleid trägt und das ist unten dann offen. Da kommt Luft rein. Das ist alles…das ist ein ganz anderes Lebensgefühl.
Track By Track
Track 01: Wir
Track 02: Geld
Track 03: Glücklich und satt
Track 04: Boom Boom Boom
Track 05: AMG Mercedes
Track 06: Freier Fall
Track 07: Ariane
Track 08: Käfigbett
Track 09: Verrückt nach dir
Track 10: Ehrenlos
Track 11: Superstars feat. Sefo
Track 12: Was würde Manny Marc tun? feat. Audio88, Yassin & Manny Marc
Track 13: Hurra die Welt geht unter feat. Henning May
(c) Caro Hilbig, Juli 2015