INTERVIEW: MICHAEL DREILICH ÜBER DIE ZUSAMMENARBEIT MIT CALVIN STONE

von Alisa Knoll und Sarah Weinberg | 23.10.20

Michael Dreilich ist Musiker/Drummer (u.a. Blackout Problems) und führt zusammen mit Mario Radetzky (Musiker und Produzent) das Mode- und Musiklabel Munich Warehouse. Im Interview mit Old Vinyl erzählt Michael von seinem aktuellsten Projekt mit dem amerikanischen Musiker Calvin Stone.

Foto: (c) xfinalchapterx
Foto: (c) xfinalchapterx

Im Juli veröffentlichte Calvin Stone die erste Single in Zusammenarbeit mit Munich Warehouse; der Song trägt den Namen "The Water". Am heutigen Freitag erscheint nun die zweite Calvin Stone Single "The Bells" via Munich Warehouse. Als Gastfeature ist außerdem die deutsche Sängerin Victoryaz zu hören.

 

Der Song hebt sich zu seinem Vorgänger „The Water“ deutlich ab. Der von Victoryaz gesungene Part sticht heraus, denn sie hat sehr viel Charakter in ihrer Stimme und lässt die Worte melodisch und angenehm klingen; auch wenn diese die bittere Realität beschreiben. Es ist überraschend, wie verschieden die KünstlerInnen sind und dennoch so gut miteinander harmonieren.

 

Die Drums stehen sehr stark im Vordergrund, wie man es vom amerikanischen Hip Hop gewohnt ist. Sie tragen dadurch zur individuellen Note des Songs bei.

Die Texte, die Calvin Stone in The Bells rappt, sind sehr ausdrucksstark und gehen auf ihre Art unter die Haut. Sein Flow geht fließend in den rhythmischen Beat über. Alles in allem ist The Bells ein starkes Gesamtwerk, dessen Message wichtiger und alarmierender denn je ist.

Victoryaz & Michael Dreilich | Foto: (c) xfinalchapterx
Victoryaz & Michael Dreilich | Foto: (c) xfinalchapterx

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Calvin Stone?

Michael: Hm, ich habe immer schon viel Zeit hinter dem Schlagzeug verbracht und zu Musik gespielt, die mich inspiriert. 2017 habe ich das mit dem Album ‚Seven Seven‘ von Calvin Stone gemacht, nachdem ich seine Musik kurz zuvor durch Zufall entdeckt hatte. Von dem Song ‚My Uncle’s Basement‘ habe ich dann ein kurzes Video gemacht und es auf Social Media gestellt. Calvin hat das gesehen und geliked und kurz danach waren wir Internet Freunde.

 

Beschreibe die Zusammenarbeit mit Calvin Stone in drei Worten!

Michael: Spontan, roh, undurchdacht (im positiven Sinne)

 

Habt ihr neben der Leidenschaft zur Musik eine besondere Gemeinsamkeit die ihr teilt?

Michael: Das ist tatsächlich schwierig zu beantworten, da wir erst ab Juli diesen Jahres wirklich engeren Kontakt hatten und man sich jetzt erst so richtig kennenlernt. Oder so gut es halt über‘s Internet funktioniert. Aber normalerweise ist das schon so, dass, wenn man mit jemandem musikalisch sofort auf einem Nenner ist und den selben Vibe teilt, man in 90% der Fälle auch gut auskommt.

 

Gibt es neben den Singles „The Water“ und „The Bell“ bereits weitere gemeinsame Projekte/Pläne?

Michael: Schön dass du fragst! Ja, wir arbeiten an einer EP die gerade den Arbeitstitel: ‚Speaking Into Existence‘ trägt und im ersten Quartal 2021 erscheinen soll.

Wer ist an der EP neben dir und Calvin noch beteiligt? Und warum genau die/diese Person/Personen?

Michael: Musikalisch ist, wie an fast allen Projekten die ich mache, Mario Radetzky mit am Start und steht mir als Produzent und Mischer zur Seite. Des Weiteren versuche ich immer befreundete oder auch mal mir unbekannte Photograph*Innen mit ins Boot zu holen. Ich finde es krass, wenn man eine Demo oder das fertige Master hört und währenddessen durch den Insta Feed von z.B. Birgit Buchart scrollt und auf einmal macht es klickt. So passiert bei ‚The Bells‘. Danke Biggi! <3

 


Die Songs „The Water“ und „The Bell“ greifen beide aktuelle und politische Themen auf. Zieht sich dieser thematischer Schwerpunkt auch durch die EP?

Michael: Das würde ich so nicht sagen. Es stehen noch nicht alle Texte, aber ich glaube ‚The Bells‘ und vor allem ‚The Water‘ sind die Songs, die man als am meisten politisch verstehen kann. Lyrics sind Calvins Gebiet und da halt ich mich auch sehr gerne raus.

 

Ist es gerade jetzt wichtig auch durch die Musik politisch zu werden? Waren Musiker*innen das schon immer so stark, wie aktuell? Inwieweit meinst du beeinflusst das die Hörer*innen?

Michael: Ich würde niemals sagen, jeder Mensch muss gerade jetzt politisch sein. Geschweige denn alle Menschen die Musik machen oder künstlerisch aktiv sind, müssen jetzt vermehrt politisch sein. Niemand hat einen Auftrag irgendwas mit seiner oder ihrer Kunst zu verbinden. Ich denke aber trotzdem, dass man sich solidarisieren kann und ich spüre einen starken Willen sich weiterzubilden, Dingen auf den Grund zu gehen und alte verrostete Prinzipien über den Haufen zu schmeißen. Diesen Gedanken kann man als Künstler unterstützen oder noch besser sogar initiieren.

Etwas ähnlich haben wir mit ‚The Water‘ gemacht. Einerseits Konfrontation mit der bitteren Wirklichkeit und andererseits ein Lösungsansatz und die Hoffnung, dass wir diesen Kampf gegen Rassismus irgendwann vollständig gewinnen werden.

Foto/Quelle: Calvin Stone
Foto/Quelle: Calvin Stone

Stehen bei den Songs zuerst die Beats und dann der Text im Raum? Oder andersrum? Beides zur gleichen Zeit?

Michael: Eigentlich ist die Arbeitsweise bisher immer die gleiche. Zuerst kommen die Drums. Fast immer ist das wirklich eine oder maximal zwei Spuren an Live Drums, die ich bei uns im Studio einspiele und dann außen rum weitere Elemente hinzufüge. Das mach ich so lange bis sich ein gewisser Vibe ergibt, von dem ich denke, dass Calvin etwas damit machen kann. Dann schicke ich ihm den Beat, er macht sein Ding und schickt es zurück. Ich baue alles zusammen und versuche eine ungefähre Vision des Songs zu haben, bevor ich damit zu Mario gehe und wir dann alles nochmal neu machen haha.. Nein, mit Mario macht der Song dann nochmal einen großen Schritt nach vorne und dann mischen wir ihn. Calvin lässt mir vollkommen freie Hand was die Beats angeht und ich ihm was seinen Flow und die Lyrics angeht. Es ist ein schönes gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzen der Arbeit. Genauso mit Mario.

 

Wie würdest du eure Musik in einem Satz beschreiben?

Michael: Schnörkellose und verzerrte Hip Hop Beats mit einer messerscharfen textlichen Kante…. Hahaha, oh man.

 

Was möchtest ihr mit eurer Musik auslösen und oder bei den Zuhörer*innen erreichen?

Michael: Obwohl das ja nichts neues ist und jeder Mensch das ja insgeheim auch weiß und es vielleicht auch ein bisschen abgedroschen klingt, aber wenn man irgendwas machen will, egal ob das Musik ist oder was auch immer, man muss es einfach probieren.

Calvin und ich hätte es auch bei einer losen Internet Freundschaft belassen können, aber irgendwie haben wir gemerkt, dass es uns total viel gibt zusammen Musik zu machen und es irgendwie auch total gut funktioniert. Der bloße Fakt, dass wir beide das machen können, über die Distanz und es klappt, ist für mich schon riesig!

Ich finde es macht ein bisschen süchtig Sachen zu kreieren, die vorher noch nicht da waren. Diese EP ist ein gutes Beispiel. Da war vorher einfach noch gar nichts und jetzt nimmt das alles Gestalt an und es ist super spannend. Vielleicht springt diese Sucht ja ein bisschen über.

 

Danke dir für deine Zeit und Antworten!