INTERVIEW + REVIEW: "SPEAKING INTO EXISTENCE" – NEUE EP VON MICHAEL DREILICH UND CALVIN STONE

Von Alisa Knoll & Sarah Weinberg | 12. März 2021

Der Hip Hop Künstler Calvin Stone und Schlagzeuger und Beatmaker Michael Dreilich sind im Juni 2020 in Kontakt getreten, um mit dem gemeinsamen Song „The Water“ den Mord von George Floyd zu behandeln und zu verarbeiten. Es folgten daraufhin die Singles „The Bells“ und „Pressure“. Alle drei genannten Songs sind Teil der kommenden EP „speaking into existence“ (VÖ: 19.3.21), die über das Label Munich Warehouse erscheint.

Michael Dreilich | Foto: (c) Paul Ambrusch | xfinalchapterx
Michael Dreilich | Foto: (c) Paul Ambrusch | xfinalchapterx

„speaking into existence“ - „Was es noch nicht gibt, wird erschaffen“

Das haben die beiden Musiker sich zur Aufgabe gemacht und als sehens - und hörenswertes Ergebnis in die Tat umgesetzt. In den Texten von Calvin Stone werden seine persönlichen Erlebnisse geschildert und aktuelle Geschehnisse verarbeitet. Dem Ganzen verleiht er durch seine Stimme den gewissen Druck und die Ernsthaftigkeit und Relevanz der Themen wird so verstärkt.

 

Die Rhymes werden von den verzerrten, aber rhythmischen Sample Beats umhüllt. Songs wie „The Bells“ oder „Make it Move“ bekommen durch den Gesang im Chorus eine lockeren Sound und man flowt direkt mit. Generell hat man bei jedem Song sofort das genretypische Mitnicken und wippen inne. Die Sprachnachrichten Skits vor und zwischen den Songs geben einen kleinen Einblick in ihre Zusammenarbeit, verleihen dem Ganzen eine persönliche Note und runden es ab.

 

Es ist faszinierend und schön anzusehen, dass diese zwei Musiker zueinander gefunden haben, in diesem Projekt sichtlich aufblühen und trotz enormer Distanz sich zumindest musikalisch finden konnten. Und wieder einmal bestätigt dies, dass Musik grenzenlos und ein so wichtiges Medium ist.


Calvin Stone | Foto/Quelle: Calvin Stone
Calvin Stone | Foto/Quelle: Calvin Stone

Hey Michael. Danke, dass du dir die Zeit nimmst und uns wieder ein paar Fragen beantwortest. Wie geht’s dir?
Michael: Hey ihr, voll schön, dass wir uns wieder sprechen! Mir geht es sehr gut wenn ich daran denke, was jetzt in nächster Zeit alles veröffentlicht wird. Im ersten Lockdown wurden ein paar Projekte begonnen, die jetzt zum ersten mal das Licht der Welt erblicken und das ist ein total schönes Gefühl.

 

Wie habt ihr das Feedback zu den bereits veröffentlichten Songs wahr genommen?
Michael: Wahnsinnig postitiv. Für uns ist ja wirklich die Tatsache, dass die EP, die Songs, die Skits, das Artwork etc. überhaupt existieren, schon ein wahnsinniger Erfolg. Und wir versuchen uns auch immer zu sagen, dass wir keine Erwartungen haben sollen. Wir freuen uns aber natürlich sehr wenn z.B. PULS dann die Singles im Radio spielt und uns pusht. Das bedeutet uns dann schon sehr sehr viel.

 

Wie kamt ihr auf den EP Titel „speaking into existence“?
Michael: Das war eine Redewendung von Calvin. Ich glaube, er hat es im Bezug auf die erste Single "The Water" verwendent. Vor diesem Song bzw. vor dem Todesfall George Flyod gab es dieses Projekt noch nicht, wir haben es dann aber einfach aus dem Boden gestampft und durchgezogen. We spoke that into existence.

Es scheint wesentlich komplizierter zu sein an einem gemeinsamen Musikprojekt zu arbeiten, wenn man auf verschiedenen Kontinenten lebt. Du hast zwar noch weitere Künstler:innen vor Ort an deiner Seite, mit denen du zusammen gearbeitet hast. Aber würdest du sagen, es gibt mehr Schwierigkeiten unter diesen Umständen eine EP zu fertigen?
Michael: Ja und nein. Du hast nie diese direkte Reaktion auf etwas wenn du nicht zusammen im Raum bist. Das ist einerseits schade, weil du nie das unmittelbare Feedback, auch vor allem was Körpersprache angeht, mitbekommst. Andererseits kann das auch gut sein, weil du dir so Zeit nehmen kannst, dir genau übelegen kannst was dir an einem Beat oder Part gefällt und was dich genau stört. Das macht das gemeinsame Arbeiten vielleicht etwas zielfführender, aber vielleicht auch etwas unemotionaler. Obwohl wir schon auch immer viel mit Sprachnachrichten kommuniziert haben, um alles so unmittelbar und persönlich wie möglich zu halten. Daher kam auch die Idee mit den Skits. Das ist nur ein kleiner Auszug aus unseren Konversationen.

 

Gibt es vielleicht sogar aber auch Vorteile so zusammen zu arbeiten, wenn man sich nicht in Person gegenüber sitzt?
Michael: Mit viel Disziplin kann das Arbeiten über die Ferne sehr produktiv sein, weil wir uns die Arbeit gut auf- und einteilen konnten. Wir mussten uns aber auch vertrauen. Ich habe mich bewusst aus der Text- und Themenwelt rausgehalten und Calvin hat mir bzw. uns auch komplett freie Hand gelassen, was den musikalischen Rahmen angeht. Ohne dieses Verständins über die Ferne hätte das alles nicht so gut oder garnicht geklappt.

Michael Dreilich | Foto: (c) Paul Ambrusch | xfinalchapterx
Michael Dreilich | Foto: (c) Paul Ambrusch | xfinalchapterx

Wie würdest du den EP Prozess beschreiben und wie lang hat er insgesamt gedauert?
Michael: Ich habe den Prozess genossen. Anfangs war noch überhaupt nicht klar, dass wir eine komplette EP machen wollen. Die Idee kam uns erst kurz nach dem wir "The Bells" im November veröffentlicht hatten, glaube ich. Wenn man die ersten Singles mit einrechnet, war der zeitliche Rahmen Mai 2020 bis Februar 2021. Ich würde sagen, wir haben pro Woche vielleicht 5 - 10 Stunden investiert, also immer mal wieder ein bisschen gemacht. Die Idee mit den Skits kam in letzter Minuten und hat das Ding vor uns schön abgerundet. Mir hat das gezeigt, dass man manchmal einfach mit dem Flow gehen kann, ohne einen genauen Plan zu haben. Viel ergibt sich auf dem Weg und wenn Sachen einfach passieren ist das total schön.

 

Du bist an den verschiedensten Musikprojekten beteiligt, die manchmal nicht unterschiedlicher klingen könnten. Kannst du dich mit Calvin mehr bzw. anders ausleben?
Michael: Haha ja, ich liebe, dass es alles so verschieden klingt! Ich habe zwar meine Hip Hop Einflüsse nie wirklich versteckt, konnte aber bei der ‚speaking into existence‘ EP mal den kompletten Weg gehen. Das macht auch echt Spaß. So kann ich diesem Bedürfniss nachgehen und will dann nicht irgendeinen kruden Hip Hop Beat in eine BP Nummer schmuggeln (oder vielleicht doch). Nein, ich mag jede Band und jedes Projekt echt richtig gerne und bin so froh, dass ich nur an Musik beteiligt bin, die ich richtig gerne hören und machen mag. Und das alles während Corona. Das macht mich schon echt happy.

Was waren deine musikalischen Einflüsse für dieses Projekt?

Michael: Die Hip Hop Künstler:innen, die ich immer gehört habe, waren Nas, oder die Band The Roots. Das hat mich früher, vor 10 Jahren, schon so richtig gecatched. Für das Projekt mit Calvin habe ich sehr viele Songs von Kenny Beats gehört. Der hat im Februar letzten Jahres eine EP namens ‚unlocked‘ mit Denzel Curry released. Das habe ich rauf und runter gehört. Wenn man genau hinhört, hört man die Einflüsse bspw. bei ‚Pressure‘ raus. Kenny Beats hat eine YouTube Serie, in der er meistens Rapper:innen zu sich ins Studio einlädt und mit denen innerhalb von 60 Minuten einen halben bis kompletten Song macht. Das war auch total inspirierend anzugucken, wie schnell diese Menschen arbeiten können und wie geil dann doch das Ergebnis ist, wenn man ein gutes Team, eine gute Stimme und einen guten Beat hat.

Welcher Song ist dein persönlicher Favorit auf der EP und warum?
Michael: Boah! War glaube ich noch nie so schwierig das zu beantworten wie bei diesem Projekt. "The Water" bedeuted mir sehr viel. Aber alle Songs bedeuten mir viel. Ich mag "Make It Move" und wie er entstanden ist. Ich mag wie "Pressure" ballert und keiner Songstruktur folgt. Ich mag die THPS Referenzen in Can Goods. Hm, schwierig zu entscheiden. Ich überlege noch ein bisschen, ok?