Raphael Ferreira ist Singer/Songwriter und kommt aus Essen. Der 27-Jährige bezeichnet seine Musik als "Urban-Pop", er kombiniert Hip Hop mit R&B, Rock und Popmusik. Mit 6 Jahren lernte Raphael das Geigespielen, im Teenager-Alter folgten Klavier und Gitarre, bevor er mit 14 Jahren begann, seine ersten Beats zu produzieren und Songs zu schreiben.
Im Alter von 19 Jahren hatte der Sänger mit seiner Musik dann ein ernstes Ziel vor Augen, kaufte sich Studio-Equipment und begann, seine Musik selbst zu produzieren. Am 29. Mai 2020 veröffentlichte Raphael Ferreira nun seine Debüt-EP "Mosaik".
Während seiner Kindheit und Jugend ließ sich der heute 27-Jährige von allerlei Musik beeinflussen. Die Range reichte von Boygroup-Pop bis hin zu Hip Hop. Einige Künstler*innen und Bands waren Samy Deluxe, 50 Cent, Akon, Die Prinzen, Backstreet Boys, Blue, Sum42 und Ciara.
Seine eigene Musik beschreibt Raphael Ferreira als hoffnungsvoll, ehrlich und gefühlvoll. Genau diese Attribute spiegeln sich auch in seiner kürzlich erschienenen Debüt-EP "Mosaik" wider. Seine Songs handeln von Themen, die den Sänger beschäftigen und berühren. Die Tracks des Singer/Songwriters formen sowohl musikalisch als auch textlich in Kombination miteinander ein großes Ganzes, wie auch einzelne kleine Stücke ein Mosaik formen.
Im Interview mit Old Vinyl spricht Raphael Ferreira unter anderem über seinen Weg zur Musik, die Prouktion der neuen EP und seine liebsten Platten, die er auf eine einsame Insel mitnehmen würde.
Old Vinyl: Wie bist du zur Musik gekommen?
Raphael Ferreira: Ich war schon immer sehr musikalisch und habe für mich selbst Songs geschrieben, weil es mir einfach Spaß gemacht hat. Allerdings hatte ich nie wirklich das Gefühl, dass ich besonders gut bin oder damit auch positive Resonanz erzeugen könnte. So richtig ernst genommen habe ich das ganze dann, als ich gemerkt habe, dass anderen Leuten auch gefällt was ich mache und ich womöglich eine berufliche Zukunft damit haben könnte.
Dazu habe ich auch eine relativ lustige Geschichte:
Mein älterer Bruder und ich haben auch schon immer zusammen musiziert und gesungen. 2012 ist mein Bruder dann ganz zufällig bei einem seiner Model-Jobs mit einem Typen aus der Musikbranche in Kontakt gekommen und wurde dann für ein „Boygroup“ Projekt angefragt. Da er aber genau zur gleichen Zeit die Möglichkeit bekommen hat, für ein paar Jahre für Agenturen in Asien als Model unterwegs zu sein, musste er das Musik-Projekt absagen und hat erwähnt, dass er einen jüngeren Bruder hat, der ebenfalls singt. Ich habe dann ein Video aufgenommen, in dem ich einen brasilianischen Song covere und es an den Musik-Typen geschickt. Das kam dann anscheinend sehr gut an und ich wurde daraufhin als Ersatz für meinen Bruder in das „Boygroup“-Projekt eingebunden. Da habe ich dann wirklich das erste mal das Gefühl gehabt, dass ich womöglich ein Talent habe, das auch namenhafte Größen der Musikbranche beeindruckt.
"ES WIRKTE ALLES ZU AUFGESETZT UND WAR MIR MUSIKALISCH ZU ANSPRUCHSLOS"
In Folge des Projekts wurden einige Songs in professionellen Studios aufgenommen und es wurde sogar ein sehr teures Musikvideo gedreht und das hat, auch wenn es vielleicht komisch klingt, meinem Ego einen richtigen Push gegeben. Das war dann der Anstoß dazu, mir ernsthafte Gedanken darüber zu machen, ob ich den musikalischen Berufsweg einschlagen will.
Das Projekt wurde dann aber unter anderem wegen musikalischer Differenzen stillgelegt. Ich habe mich, kurz bevor es an die Veröffentlichungen ging, mit der Musik und den Texten einfach nicht wirklich wohl gefühlt, weil alles vom Management mit geformt wurde und nicht das widerspiegelte, was mich künstlerisch ausmachte. Es wirkte alles zu aufgesetzt und war mir musikalisch zu anspruchslos. Deswegen gab es dann einen klaren Cut und ich habe von da an versucht, auf eigene Faust Musik zu machen und nur das zu machen, hinter dem ich wirklich zu 100% stehe.
Meinen allerersten komplett selbst geschriebenen Song habe ich im Jahr darauf in einem Studio in Essen, zusammen mit dem Produzenten Tilia, aufgenommen. Dieser Song ist übrigens „Zeit vergeht“, welcher auch auf meiner gerade rausgekommenen EP „Mosaik“ zu finden ist. Den Song habe ich aber dann nochmal komplett anders und neu selber produziert und auch neu aufgenommenen, weil mein Sound sich in den Jahren einfach noch sehr verändert hat. An dieser Stelle aber schöne Grüße an Tilia!
Old Vinyl: Welche Musik beeinflusst dich auch heute noch, wenn du selbst Musik schreibst und produzierst?
Raphael Ferreira: Künstler, die mich für meine eigene Musik wirklich nachhaltig beeinflussen und inspirieren, gibt es tatsächlich eher wenige. Ich tendiere sogar eher dazu, gar keine andere Musik zu hören, wenn ich mich auf meine eigene Musik konzentrieren will. Ich versuche da wirklich immer so viel Intuition wie möglich rein zu legen und die Musik so authentisch wie möglich klingen zu lassen. Sodass die Ideen, die ich habe, und die Emotionen, die ich damit verbinde, wirklich nur von mir und meinem Kopf bzw. Herzen kommen.
Wenn ich aber Künstler nennen muss, die mich davon abgesehen wirklich inspiriert haben, dann wäre das z.B. ein „Miguel“, der über all seine Alben hinweg wirklich eine enorme Bandbreite von musikalischen Stilrichtungen mit einbaut und sich nicht von Trends oder Normen beeinflussen lässt. Sein Sound ist für mich definitiv einzigartig und sehr inspirierend. Das Album „Wildheart“ würde ich da noch klar hervor heben. Für mich ist das wirklich ein Meisterwerk, wenn nicht sogar „das Meisterwerk“ im 21. Jahrhundert.
"DIE IDEE UND FINALE ZUSAMMENSTELLUNG DER SONGS ZUR EP MOSAIK IST ERST ENDE 2019 ENSTANDEN"
Old Vinyl: Gib uns doch bitte einen kleinen Einblick in die Produktion deiner Platte. Wie lange hat die Produktion gedauert? Wo hast du die Platte produziert?
Raphael Ferreira: Die Platte oder besser gesagt, die Songs auf der Platte, sind ehrlich gesagt über mehrere Jahre hinweg entstanden und ich habe mir vorher nicht als Ziel gesetzt, sie für ein Album oder eine EP zu produzieren oder zu schreiben.
Deswegen kann ich da keinen genauen Zeitraum nennen. Das Grundgerüst zum ersten Song ist, wie vorhin schon erwähnt, vor circa sieben Jahren entstanden. Einige andere Songs sind auch bereits vordrei bis vier Jahren produziert worden und andere Songs sind erst in den letzten Monaten entstanden.
Die Idee und die finale Zusammenstellung der Songs zu einem Projekt und schlussendlich zu der EP „Mosaik“ ist aber erst Ende 2019 entstanden. Anfang 2020 noch ein Song mit reingerutscht.
Die Platte ist, mit einer kleinen Ausnahme, ausschließlich bei mir Zuhause in meinem Homestudio produziert worden. Ich schreibe, recorde, produziere und mische alle meine Songs selbst. Das erleichtert einem auf jeden Fall einige Schritte im Entstehungsprozess. Song #6, „Legosteine“, ist allerdings vom Produzenten „Sizzy“ produziert worden. Mit ihm habe ich seit circa einem Jahr musikalischen Kontakt und er hatte mir mal eine ganze Reihe an Beats für Songwriting-Projekte geschickt. Dieser Beat hat mir dann so gut gefallen, dass ich ihn für mich selber angefragt habe und meinen Song anschließend dazu aufgenommen habe. An dieser Stelle auch liebe Grüße an Sizzy!
Old Vinyl: Mit welchen Themen beschäftigt sich deine neue EP?
Raphael Ferreira: Die EP „Mosaik“ behandelt Themen, die mich in den vergangen Jahren sehr beschäftigt haben. Sie greift unter anderem auch in der Jugend sehr aktuelle Themen auf, wie kulturelle und soziale Unzugehörigkeit, bedingt durch zwei verschiedene Nationalitäten und daraus resultierende Identitätsprobleme und Selbstzweifel. Als Sohn eines Deutschen und einer Portugiesin habe ich schon mein Leben lang mit kulturellen Gegensätzen zu kämpfen, die stellenweise auch eine Art Identitätskrise in meinem Leben hervorgerufen haben.
Um ein kleines Beispiel zu nennen: Als Kind war ich wirklich jedes Jahr in den Sommerferien mit meiner Familie in Portugal. Ich habe zwar von meiner Mutter aus
einiges von der portugiesischen Sprache mitbekommen, allerdings war mein portugiesisch nie perfekt und man hört als Portugiese natürlich sofort, dass ich Ausländer bin. Wir waren dann für die
Einheimischen und für die Familie, die in Portugal lebt, immer „die Deutschen“. Im Grundschulalter habe ich Nachmittags auch regelmäßig eine portugiesische Schule besucht, wo Kinder
portugiesischer Einwanderer Sprachunterricht bekommen haben, um die Sprache und die Kultur in der Familie zu erhalten. Dort war ich zum Beispiel auch der Einzige mit einem deutschen Vater und der
Einzige, der nicht so perfekt portugiesisch sprechen konnte. Obwohl ich, neben der deutschen, auch die portugiesische Staatsangehörigkeit habe, habe ich mich in portugiesischen Kreisen deshalb
immer etwas als Außenseiter gefühlt. Auch wenn ich, gerade als Kind, eigentlich immer sehr stolz auf meine portugiesische Seite war.
"QUASI EIN MOSAIK MEINER PERSON UND MEINES LEBENS BIS ZUM HEUTIGEN TAG"
In Deutschland und in meinem schulischen Umfeld hingegen war ich schon aufgrund meines Aussehens nie wirklich ein richtiger Deutscher. Auch wenn ich mich selbst als Deutscher identifiziert habe, hier geboren und aufgewachsen bin, gab es da immer noch dieses „Wo kommst du denn eigentlich her?“ oder „Wo liegen denn deine Wurzeln?“. Abgesehen davon habe ich seit meiner Kindheit auch immer wieder Erfahrungen mit offensiverem Rassismus machen müssen. Das lässt einen dann schon ein ziemlich ungesundes Verhältnis mit seiner eigenen Identität aufbauen. Ich muss dazu sagen, dass ich von Menschen, die mich nicht kannten, vom Aussehen aus oft dem arabischen Raum zugeordnet wurde, welcher ja trauriger und unverständlicherweise negativer assoziiert wird als der südwest-europäische Raum.
Dieses Thema ist glaube ich gerade im Ruhrgebiet eins, mit dem sich, auch wenn oft unbewusst, sehr viele Jugendliche identifizieren können. Deshalb fand ich es umso wichtiger, dieses Thema auf meiner EP anzusprechen.
Die EP beschäftigt sich aber auch noch mit ganz anderen persönlichen und globalen Themen, wie z.B. mit einem kritischem Hinterfragen unserer Konsum- und Social Media Gesellschaft, sehr persönlichen Verlusten oder allgemeinen Selbstzweifeln und Versagensängsten. Sie formt durch alle Songs, thematisch und musikalisch ein Gesamtbild, das einem Mosaik gleichzusetzen ist. Quasi ein Mosaik meiner Person und meines Lebens bis zum heutigen Tag.
Die mit 10 Songs unkonventionelle Überlänge der EP ist bewusst so gewählt, um die Komplexität eines Mosaiks und meiner, aber auch anderer Persönlichkeiten, zu verdeutlichen. Damit wehre ich mich gegen musiktechnische und fachliche Grenzen, die diese EP eigentlich als Album einstufen würden.
Old Vinyl: Was ist demnach die Message deiner EP "Mosaik"?
Raphael Ferreira: Sei wer du sein willst. Liebe wen du lieben willst. Nimm dir Zeit für das wirklich wichtige
im Leben und vor allem: Wenn du, in welcher Art und Weise auch immer, Veränderung auf der Welt sehen willst, sei selbst die Veränderung.
Old Vinyl: Du bist auf einer einsamen Insel und darfst nur drei Platten mitnehmen. Welche würdest du mitnehmen und warum gerade diese?
Raphael Ferreira: Sehr schwierige Frage, weil ich mich sehr schnell an Songs satt hören kann, aber:
"WENN ICH KÖNNTE, WÜRDE ICH ALLEN MENSCHEN UND TIEREN AUF DER WELT DAS GEBEN, WAS SIE VERDIENEN UND GLEICHZEITIG FRIEDEN SCHAFFEN"
Old Vinyl: Welche Superheldenkraft hättest du gerne – und warum?
Raphael Ferreira: Klingt vielleicht kitschig, aber ich war schon immer ein richtiger Gerechtigkeitsfanatiker. Wenn ich könnte, würde ich allen Menschen und Tieren auf der Welt das geben, was sie verdienen und gleichzeitig Frieden schaffen. Sprich: Alle Menschen würden genug zu Essen und zu trinken haben, genau so wie alle Tiere. Kein Mensch und kein Tier müsste in unwürdigen Bedingungen leben. Die Menschheit würde sich komplett vegan ernähren und die Erde, sowie die Natur, würde sich nach und nach erholen.
Old Vinyl: Was wünschst du dir für die zweite Hälfte des Jahres?
Raphael Ferreira: Dass sich die ganze Situation global entspannt und dass wir Ende des Jahres auf ein neues Jahr zu steuern, in dem wir wieder das tun können was wir lieben. Ich möchte endlich wieder auf der Bühne stehen und freue mich schon sehr auf einen Termin im November, wo ich in Essen den Support der Band „Till“ spielen darf. Natürlich wünsche ich mir auch, dass meine EP so ankommt wie ich es mir erhofft habe und ich mit meiner Musik und meinem Ziel, von der Musik leben zu können, voran komme.
"BLEIB' POSITIV UND BLEIB' DU SELBST"
Old Vinyl: Eine letzte Message an die Leser?
Raphael Ferreira: Falls du das Interview bis hierhin gelesen hast, vielen vielen Dank für deine Zeit und die Aufmerksamkeit! Falls du noch nicht in meine EP reingehört hast, lege ich dir das sehr ans Herz und freue mich natürlich sehr, wenn du dir meine EP als physische Version bestellst! Es steckt unglaublich viel Arbeit und Leidenschaft in dieser Platte und es würde mir die Welt bedeuten, wenn du mich dadurch finanziell unterstützt weiter Musik machen zu können. Bleib positiv und bleib du selbst!
(c) Sarah Weinberg, 21. Juli 2020