Interview: SHORELINE - "Viel davon ist auch von der ständigen Bestätigung getrieben, die ich in meinem Leben suche."

Alisa Knoll | 17. Mai 2024

Am 23. Februar veröffentlichten SHORELINE ihr drittes Album "To Figure Out" via Pure Noise Records.
Im April war die Band auf gleichnamiger Tour durch Deutschland unterwegs und gab in gut gefüllten und ausverkauften Clubs eine erlesene Mischung an neuen und älteren Songs zum Besten.

 

Vor ihrer Show in München haben wir mit Sänger Hansol unter anderem über ihre Live Shows, das Tourleben und die Nutzung von Social Media als Band gesprochen. Außerdem bekamen wir einen skizzenhaften Einblick in ihren Tourbus.

Foto: Frederic Hafner
Foto: Frederic Hafner

OV: Schön, dass du da bist. Wie geht’s dir?

Hansol: Mir geht's sehr gut. Das ist nicht ganz wahr. Mir geht es 7/10 wegen Bauchweh, aber mental geht’s mir gut. Wie geht’s dir denn?

OV: Ich habe keine körperlichen Beschwerden und freue mich auf heute Abend.

Hansol: Okay, zusammen haben wir körperliche und mentale Beschwerden. Oder gar nichts.

(beide lachen)

 

OV: Wie war denn euer Off Day gestern?

Hansol: War okay. Ich hab seit ein paar Tagen Bauchweh und gestern hatte ich auch Bauchweh, deshalb war es nicht so super entspannt. Und die Bremsen unseres Autos sind kaputt gegangen, deswegen mussten wir eine Werkstatt suchen. War absurd teuer, jetzt geht's aber wieder. Bremsen sind glaube dann schon wichtig. (lacht)

 

OV: Wie waren die ersten Shows bisher?

Hansol: Die waren alle richtig schön. Die schönsten Shows, die wir bisher gespielt haben.

OV: Das freut mich zu hören.

Hansol: Wir haben einige Städte ausverkauft, was wir außerhalb von Münster noch nie gemacht haben. Es ist so, als wären wir in einer richtigen Band (lacht). Es kommen Leute, die die Songs kennen und mögen. Ich brauche auf jeden Fall ein paar Tage mehr zuhause, um das zu verstehen.

 

OV: Hattest du oder ihr als Band Erwartungen an die eigene Tour?

Hansol: Wir haben ja zumindest die Infos über den Vorverkauf, also wussten wir, dass es relativ voll wird. Wir haben davor schon Shows gespielt, die ähnlich cool waren. Aber ich persönlich versuche meine Erwartungen relativ niedrig zu halten.

OV: Dann wird man nicht enttäuscht.

Hansol: (lacht) Genau aus dem Grund. Aber sonst waren wir eigentlich sehr positiv gestimmt.

OV: Ihr wart ja jetzt auch lange Zeit als Support in UK unterwegs. Merkt ihr einen Unterschied zum deutschen Publikum?

Hansol: Ich finde, das ist eher sehr stadt abhängig. Zum Beispiel Manchester waren wir drei Mal dort. Die ersten zwei Male waren immer tolle Shows. Ich weiß nicht woran es liegt. aber vielleicht weil die Szene anders ist. Weil vielleicht mehr Musik dort gemacht wird, denke ich. Also vielleicht ist die Szene bisschen anders strukturiert, wo keine DIY Szene vorherrscht.

OV: Ähnlich wie in Deutschland.

Hansol: In Deutschland ist das eigentlich auch so. Es gibt Orte, die besser klappen, als andere Städte. Deshalb würde ich es gar nicht mal so vom Land abhängig machen, eher von der Stadt.

OV: Ich habe das Gefühl, in UK sind die cooleren Bands, die cooleren Locations, auf die Szene gesprochen.

Hansol: Ich würde auch sagen. Da viel von der Musik, die wir selbst konsumieren und machen, sehr so anglo amerikanisch orientiert ist. Ich finde viele Bands aus UK cool, cooler, als aus Deutschland. Es gibt zumindest viele Bands, die mir einfallen würden, die aus UK kommen, aber andererseits gibt es auch viele Bands aus Deutschland…wie gesagt: städte abhängig. Münster z.B. ist immer sehr zurückhaltend. Sehr studentische Stadt, an der Cola nippen und man nickt mit. Wenig dass da Stagedives und Moshpits gehen, egal wer da spielt, zumindest in dem Punk Kosmos.

 

OV: Wie sind die Erfahrungen bisher in München?

Hansol: München ist ehrlicherweise immer erstaunlich gut. Ich bin zwei Stunden von hier aufgewachsen und war deshalb relativ häufig auf Shows, auch hier im Backstage. Ich hatte immer das Gefühl, dass es auch ein zurückhaltendes Publikum ist, aber eigentlich waren alle Shows, die wir hier gespielt haben, immer gut.

OV: Gibts bei euch im Set einen Song, der euch am meisten Freude macht zu Spielen und einen, bei dem ihr merkt, den nimmt das Publikum gern an?

Hansol: Mir macht Seoul richtig viel Spaß zu spielen. Richtig schön, die Leute kennen den Song, obwohl es ein neuer Song ist, das war noch nie so. Die Leute brauchen oft ein Jahr um zu checken, dass es den Song überhaupt gibt (lacht) Reviver ist ein Song, der sehr gut angenommen wird. Was ich witzig finde, weil ich den nicht so gerne spiele (lacht) Macht mir schon Spaß, aber vor allem wenn ich die Reaktion sehe, die trägt mich vor allem. Wenn wir den proben, macht der irgendwie keinen Bock (lacht)

OV: Echt? Woran liegt das?

Hansol: Die anderen sehen das ganz anders, so Martin und Christoph. Ich weiß nicht, ob Julius der gleichen Meinung ist. Ich weiß, dass Martin es sehr viel Spaß macht, den Song zu spielen. Es ist instrument abhängig und er ist halt langsamer, als andere Songs. Ich mag halt gern schnelle Songs (lacht).

 

OV: Ich habe auf einer eurer Setlist gesehen, dass dort Simpsons Fotos abgebildet waren. Was ist der Hintergrund dazu?

Hansol: Christoph druckt immer die Setlisten aus. Ich darf mir immer eine Simpsons Szene wünschen. Auf dieser ist Jackie Chan drauf, weil ich ein großer Jackie Chan Fan bin. Jeden Abend schauen wir immer eine Simpsons Folge zum Einschlafen, immer per Zufallsprinzip, es gibt ja unfassbar viele Folgen. In einer Lieblingsfolge kriegt Otto am Anfang einen Preis für ‘safest busdriver in the district’ und dann kommt eine Stimme aus dem Off von Milhouse: “Otto wach auf!!” und das war die Folge, die wir ganz lange auf der Setlist drauf hatten.

 

OV: Wir haben vor zwei Jahren über Wachstum gesprochen und Julius meinte damals, dass ihr als Band viele kleine Steps macht. Wie fühlt es sich denn aktuell an? Ich habe den Eindruck, dass ihr größere Steps macht.

Hansol: Nee, ich glaub wir machen weiterhin viele kleinere Schritte. Wir haben schon lange keine eigene Tour mehr gespielt. Die letzte eigene Show war letzten März in Hannover. Im ganzen letzten Jahr haben wir keine eigene Show gespielt, deshalb fühlt sich das jetzt vielleicht so an.

OV: Ich habe den Eindruck, es passiert gerade richtig viel... jetzt auch bei Pure Noise Records zu sein.

Hansol: Das stimmt. Das kann ich von außen betrachtet nachvollziehen.. Aber doch, du hast recht. Es gibt ein paar Sachen, bei denen wir auf jeden Fall einen größeren Schritt gemacht haben, der sich auch so angefühlt hat. Nur meistens erfahren wir das ja sehr viel früher, bevor wir es veröffentlichen.

OV: Ich finde es auch nicht negativ, wenn man sagt, man macht nur viele kleine Schritte, weil jeder Schritt ein wichtiger Schritt ist.

OV: Ich lese dir YouTube Kommentare vor und du musst erraten, unter welchem eurer aktuellen Musikvideos sie kommentiert worden sind. Ein Kommentar war auf Italienisch geschrieben, die anderen auf Englisch, ich habe sie mir alle übersetzen lassen.

Hansol: Also YouTube Kommentare sind ja wild (lacht)

OV: Ich hab nur Nette rausgesucht.

Hansol: Du hast nur Nette rausgesucht? Es gibt einen Kommentar, den finde ich extrem witzig, weiß nicht, unter welchem Video der ist – “Was there a hat sale or something?”

OV: Den Kommentar habe ich auch überlegt, reinzunehmen. (beide lachen)

Hansol: Wir haben gestern Fotos gemacht, wo wir alle Mützen auf hatten, da musste ich wieder dran denken.

  • "Mein Herr. Nach Jahren des Wartens. Hier sind unsere Retter."

Hansol: Ich hätte Reviver gesagt.

OV: Nee, tatsächlich nicht. Möchtest du einen Second Guess?

Hansol: Dann sage ich Needles.

OV: Nee, steht unter Darius. Der war auf Englisch im Original.

Hansol: Der hittet auf jeden Fall härter auf Deutsch (lacht)

  • "Du bist so schön angepisst"

Hansol: (lacht)

OV: Das war im Original auf Italienisch.

Hansol: Das ist ziemlich sicher Reviver

OV: Ja.

Hansol: Weil Reviver in Italien auf so einem großen Radiosender lief.

OV: Der letzte Kommentar, im Original auch auf Englisch:

  • "Dieses Lied löste bei mir einen Gänsehautschauer aus."

Hansol: Gänsehautschauer kann auch was Negatives sein. Ich kriege manchmal Gänsehaut, wenn ich etwas Cringe finde. (lacht)

OV: Mein Körper ist dann einfach freeze. Ich kann nicht mehr.

Hansol: Christoph muss sich dann immer physisch verstecken. (lacht)

OV: Ich verstehe das.

Hansol: Ich geh’ jetzt nach dem Ausschlussprinzip…. Dann sage ich jetzt Needles.

OV: Nee (beide lachen)

Hansol: Seoul.

OV: Ja. Die Person schien ganz begeistert und ergriffen zu sein.

Hansol: Vor Cringe. (beide lachen)

Foto: (c) Alisa Knoll
Foto: (c) Alisa Knoll
Foto: (c) Alisa Knoll
Foto: (c) Alisa Knoll

OV: Ich würde gern mit dir über Social Media sprechen. Vorweg: ich finde euren Instagram Output sehr authentisch und sympathisch. Aber man hört von vielen anderen Musiker:innen, dass es Fluch und Segen zugleich ist, dass man nebenbei noch Social Media bedienen muss. Ich hab den Eindruck, dass das bei euch nicht der Fall ist. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.

Hansol: Mir macht das schon Spaß, aber viel davon ist auch von der ständigen Bestätigung getrieben, die ich in meinem Leben suche. Ein Mechanismus, der durchaus problematisch sein kann. Vor allem stresst es mich nicht, weil ich sowieso gern auf Instagram bin. (lacht) Was wir vor allem posten sind ja Fotos von uns oder der Show. Eine Regel beim Posten ist: nur wenn ich Lust habe und wenn wir was zu sagen haben. Mal sind es auch witzige Sachen, aber ganz selten, dass es mir vorkommt, ich muss etwas posten für den Algorithmus. Meistens gibt es irgendwas zu erzählen oder zu bewerben. Das passiert eigentlich relativ organisch.

 

OV: Zu dem Standpunkt, dass man um Sichtbarkeit kämpfen muss, das sieht und handhabt ja auch jede:r anders. Aber ich glaube am Ende sind es ja die Hörer:innen, die auch die Konsument:innen von den Postings sind.

Hansol: Mir macht es eigentlich Spaß, aber das liegt auch daran, dass das, was zurückkommt, auch cool ist. Hätte ich das Gefühl ins Nichts zu posten, da ist keiner, dann würde ich es wahrscheinlich auch nicht machen.

 

OV: Kennst du die Taylor Swift Theorie, die besagt, dass der 5. Song auf ihren Alben der ehrlichste bzw. rawste und verletzlichste ist?

Hansol: Gute Frage, muss ich mal drüber nachdenken.

OV: Auf dem jetzigen Album wäre es Health - würdest du sagen, das trifft zu?

Hansol: Nee, würde ich nicht sagen. Der Song ist witzig, weil es um eine Person geht, die Hypochonder ist und extrem Angst davor hat, Krebs zu kriegen - based on a real story - dann hat die Person Krebs bekommen. Das ist ein außergewöhnlicher Umstand, dass Sachen manchmal so sind, vor denen man Angst hat, dass sie so sind, auch wenn das super belastend ist.

OV: Beim letzten Album ist es Western Dream

Hansol: Würde ich auch nicht sagen.

OV: What Sucks Is Now Hidden wäre auch eine Nummer Fünf - trifft oder trifft nicht zu?

Hansol: Da gehe ich schon eher mit. Taylor Swift Theory busted. (lacht)

OV: Vielleicht trifft es auch nur auf Taylor Swift zu. Meinst du, ihr habt Gemeinsamkeiten?

 

Hansol: Ich glaube nicht. Ich habe letztens ein TikTok gesehen, wo gesagt wurde, bei ‘Eat the Rich’ meinen wir Taylor Swift mit. Ich finde das okay.

OV: Absolut.

Hansol: Die Frau ist ja so crazy reich.

OV: Sie ist auf jeden Fall mit gemeint…
Schmeckt.

(beide lachen)

OV: Du darfst nun kreativ werden und einen Einblick in euren Tourbus malen, während ich dir passende Fragen dazu stelle.

Hansol: Ich kann Perspektive ganz schlecht, aber ich mach einfach. (lacht)

 

OV: Wer fährt die meiste Zeit euren Tourbus?

Hansol: Christoph oder Martin. Bei dieser Tour sind es vor allem Martin oder unser Soundmensch, weil wir mit Anhänger fahren und sonst keiner einen Anhängerführerschein hat.

 

OV: Wer schläft die meiste Zeit im Bus?

Hansol: Ich glaube das bin ich. Ich fahre auch am seltensten. Julius fährt auch sehr selten, weil er einmal im Gegenverkehr gefahren ist und wir fast alle gestorben wären. Ist jetzt aber schon paar Jahre her (lacht) Und ich fahre einfach schlecht, deswegen fahren wir beide am wenigsten. (lacht)

 

OV: Oder weil du Star Allüren hast? Kannst ruhig ehrlich sein.

Hansol: Genau, das ist der andere Grund.

 

OV: Was ist der beste Snack für unterwegs?

Hansol: Pom Bären. Ziemlich sicher. Früher war ich ein großer Pom Bär Original Fan, mittlerweile Pom Bär Ketchup Geschmack. Was hältst du von Pom Bären?

OV: Finde ich sehr gut. Ich hatte letztens auch Ketchup. Gibt mir extreme Schwimmbad Vibes. Ich finde sie nicht schlecht, aber wenn ich eine ganze Tüte möchte, dann von den Salzigen.

Hansol: Finde ich fair.

OV: Krass wäre eine gemischte Tüte.

Hansol: Gemischte Tüte ist immer gut.

Hansol (über das Bild): Das ist meine Perspektive. Ich sitze hier. Hier vorne ist der Fahrer, dann sitzen hier Christoph, Murf und Martin. Da sitzen Julius und ich.

OV: Weil die Coolen sitzen hinten?

Hansol: Genau, wir sind die Coolen im Bus. (lacht)

Das ist das wichtigste Detail von allen: Das ist eine Schachtel mit Oliven, die ich mir am ersten Tag gekauft habe. Ich habe zwei davon gegessen und seitdem bilden sie so langsam einen Fettfleck.

OV: Ich glaube, die werden nicht besser.

Hansol: Nee, die werden nicht besser. Das mache ich jede Tour. (lacht) Ich liebe Oliven, aber nicht genug, um alle aufzuessen. Daneben ist ein Stück Kartoffelsalat, den ich halb aufgegessen habe. Und daneben ist meine Kamera. Der Kartoffelsalat ist leider in meine Kamera gegangen. Sie funktioniert noch, aber sie riecht nach Kartoffelsalat. – Das ist unser Tourbus.

OV: Schön!

Hansol: Ich hab mir Mühe gegeben. Ist eher ‘ne Skizze geworden.

 

OV: Hört ihr eher Podcasts oder Musik auf der Fahrt?

Hansol: Jeder hört für sich selbst und ich höre gern beides. Zu viel von einem kann ich nicht.

 

OV: Was ist die beste Beschäftigung gegen Langeweile, wenn keine Musik/Podcast gehört wird?

Hansol: Ich kaufe mir zurzeit immer Bücher. Das klingt mega schlau, aber es sind Bücher ohne Text – Bücher mit Bildern. (lacht) Fotobände! Das macht mich happy. Sonst gibt's nichts Spannendes. Meistens Schlafen und Schwitzen.

 

OV: Ich möchte noch zwei Songs für unsere Playlist von dir erfahren. Ein Song von euch und ein Song, den ihr alle gut findet oder den du mit eurer Band verbindest.

Hansol: Von uns nehme ich Cold Feet. Das ist einer meiner Lieblingssongs. Ist uns glaube allen schwer gefallen, den als letzten Song zu nehmen. Albumkontext: Uns ist es immer sehr wichtig, dass der letzte Song ein besonders guter Song ist, dass man das Gefühl hat, man hat gerade was durchgemacht. Es ist keine Single und das ist ganz natürlich, dass den dann weniger Leute hören, deshalb würde ich gern den Song nehmen. Ein Song, den wir sehr mit der Band verbinden ist Memories von 347aidan - das ist unser Intro seit zwei Jahren und wenn ich den Ausversehen auf Kopfhörern höre, kriege ich sofort schwitzige Hände, weil es halt immer kurz vor dem Auftritt ist. Ich bin schon konditioniert. (lacht)

 

OV: Ich danke dir für deine Zeit und Antworten.