Von Caro Hilbig (Text & Fotos) | 02. November 2024
Sommer, Sonne, Festival: Drei Tage Highfield Festival mit einem großen nationalen und internationalen Line-Up liegen nun schon etwas hinter uns – Zeit für einen Rückblick.
Der Freitag beginnt nicht nur mit hohen Temperaturen von fast 28 Grad, sondern auch mit den Bierbabes und Mele. Eskalation, Techno, große Gefühle – hier ist direkt zu Beginn für jeden etwas dabei. An dritter Position steht das Duo der Indie-Pop-Band Tränen, die für uns die Beach Stage und das Wochenende mit eigenen Hits wie „Stures Dummes Herz“ und Covern wie „Denkmal“ von Wir Sind Helden eröffnen. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass man den 2000er-Klassiker auf dem Festivalgelände am Störmthaler See hören würde. Trotz der abnormalen Hitze ist die Beach Stage an diesem Freitag Nachmittag gut gefüllt, was bei Gwen Dolyn, Steffen Israel und beim Publikum für gute Stimmung sorgt.
Die zwei großen Bühnen werden von der Stuttgarter Punkrock-Band Schmutzki eingeweiht – und die geben mächtig Gas. Ein Mittelfinger für die AfD, ein stagedivendes Zelt und gehobene Krücken im Moshpit. Schmutzki bringen alles mit, was eine Punkrock-Show braucht. Danach braucht es etwas mehr Gefühl. Doch keine Sorge, ruhig wird es bei Antje Schomaker auf der benachbarten Blue Stage nicht. Als eine der wenigen Flinta-Acts an diesem Wochenende, macht die junge Musikerin aus NRW ganz schnell eines klar: Ich muss gar nix! Starke Stimme, coole Band, lässige Show – da füllt sich der erste Wellenbrecher innerhalb kurzer Zeit wie von Zauberhand. Nebenan auf der Green Stage reißen Akne Kid Joe irgendwo zwischen Punk, Rock und einer Menge Wut das Festivalgelände ab.
Wer vom nachfolgenden Act zu diesem Zeitpunkt noch nichts gehört hat, hat nicht nur etwas verpasst, sondern ist bis zu diesem Moment scheinbar blind über das übersichtliche Gelände gelaufen. Die Betterov-Shirts sind an diesem ersten Festivaltag in der Überzahl und genau wie erwartet ist es vor der Bühne schon voll, als der Thüringer in weißem Anzug genau diese betritt. Zurückhaltend aber mit klarer Stimme besingt er diesen Abend mit Songs wie „Dussmann“ oder „Bring mich nach Hause“ und gibt allen diesen kurzen Moment des Runterkommens, den die Masse nach den ersten Moshpits definitiv nötig hatte.
Doch danach ist keineswegs Schonung angesagt. Makko holt die Menge langsam wieder aus der Ruhephase heraus und begeistert mit seinem Auftritt vor allem die etwas jüngeren Zuschauer:innen. Als bei „Nachts wach“ dann aber alle in einem wahnsinnigen Sonnenuntergang stehen, ist es allen klar: endlich angekommen – auf dem Highfield!
Danach geht es wieder auf die Green Stage, die größere der beiden Bühnen. Und dort erwartet die Festivalbesucher:innen ein Highlight. Eine Band, die mehr Klassiker für alle Festivals in Deutschland ist als es jede andere Band je sein könnte. Die Donots haben es sich nicht nehmen lassen und leiten, nicht wie sonst so üblich, die Dunkelheit des ersten Tages ein. Und dann gibt es für eine Stunde nur noch einen Gedanken: Abriss, Abriss, Abriss. So sehr, dass sich erste Staubwolken über der tobenden Masse formen, ein Circlepit den nächsten hascht und Sänger Ingo die Fans in seine „Dreckmäuse“ umbenennt. Ob „Wake The Dogs“, „Calling“ oder „Dead Man Walking“ – die Donots holen mit jedem Song jeden einzelnen Mensch vor der Bühne ab. Darauf ist Verlass.
Wer nach so viel Energieverbrauch eine Stärkung braucht, der hat es auf dem Highfield nicht schwer. Ob gutes Essen in vegan, vegetarisch oder fleischlich, Nikotinkonsum (bei Winston konnte man sich zum Beispiel auch ein eigenes Feuerzeug kostenlos designen) oder das Bedürfnis nach neuen Klamotten - auf dem Festivalgelände war für jeden etwas dabei.
Nach ganz viel Rock, kommt ganz viel Rap. Trettmann bringt dem Highfield eine Mischung aus Mitnicken, Mitfühlen und Mittanzen auf die Bühne. Er kennt sie eben, seine Leipziger:innen. Danach geht es mit Alligatoah voll auf die 12. Gegenstände werden zerstört, aus alten Rap-Songs werden Metal-Versionen gezaubert, das neue Album bekommt eine neue Bühne. Und das alles in Hausschuhen. Von so einem energischen Auftritt dürfen sich die Zuschauer:innen danach bei Provinz wieder etwas erholen. Und das tun sie dann auch alle: das Feld vor der kleineren Bühne ist rappelvoll und die Masse scheint textsicher.
Den Abschluss des ersten Tages macht niemand geringeres als der Stadtaffe himself. Peter Fox ist zurück und zeigt allen, wie eine perfekte Festivalshow aussieht. Um diese aufzustellen, hat der Berliner einiges im Gepäck: starke Background-Sänger:innen, seine eingeladene Stage-Family und die vermutliche beste Tänzer:innen-Crew Deutschlands. Die Stimmung kocht – alles ist bunt, laut und blinkt… Besser kann ein Festivaltag nicht zu Ende gehen.
Der nächste Tag schwankt musikalischen zwischen Neu und Alt. Den Anfang machen an diesem ebenfalls enorm warmen Tag Wa22ermann, Deine Cousine, Milliarden und die Blackout Problems, welche zu späterem Zeitpunkt noch ein kleines Konzert am Merchandise zum Besten geben. Dann kommt Domiziana und das bedeutet genau eins: Zeit zum Raven! Mit ihrem legendären DJ Baran Kok, einigen Hits in der Hinterhand und auch ein paar unveröffentlichten Überraschungen bringt sie das jüngere Publikum zum kochen. Spätestens bei ihrem Scooter-Sample hat sie dann auch die „älteren“ in der Tasche.
Danach gibt es Nostalgie pur. Nach sechs Jahren Pause sind Heisskalt wieder zurück auf den Festivalbühnen des Landes und bringen das, was sie schon immer konnten: Gefühle, harte Wahrheiten und Authentizität. Und eine gute Botschaft hinterlassen sie auch: Sie kommen wieder nach Leipzig – mit einem neuen Album. Ebenfalls viel Gefühl gibt es danach bei Jeremias. „Grüne Augen“, „Julia“ und sogar den, zu diesem Zeitpunkt noch unveröffentlichten, Song „Meer“, die junge Band aus Hannover lässt Herzen höher schlagen, Tränen fließen und sich gegenseitig in den Armen liegen.
Ihnen folgt ein Künstler, der soeben bei Jeremias noch als Feature-Gast auf der Bühne stand: Ski Aggu. Der Überflieger wird, aufgrund eines Hexenschuss, auf die Bühne getragen und liefert selbst im kranken Zustand ab. Vor der Bühne öffnet sich ein Moshpit nach dem anderen und Ski Aggu dirigiert sie, als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht. Dass ausgerechnet während seines Sets plötzlich die großen Rauchwolken aufkommen und das Riesenrad in Brand gerät, ist für alle ein großes Unglück. Während die Masse schweigend und verängstigt das Geschehen beobachtet, versucht Ski Aggu mit seinen Worten Ruhe zu bewahren. Für manche schien die Album-Promo zu diesem Zeitpunkt geschmacklos, aber eines muss man dem jungen Mann und auch dem Publikum lassen: zu keiner Sekunde gab es ein Gefühl der Massenpanik. Das Publikum blieb verhältnismäßig ruhig, die Rettungskräfte konnten ihre Arbeit durchführen und nur so konnte sichergestellt werden, dass alle Personen lebend aus dem brennenden Fahrgeschäft gerettet werden konnten. Das Team vom Musikblog Old Vinyl wünscht allen Anwesenden weiterhin psychisch und physisch gute Besserung und möchte sich außerdem bei allen Rettungskräften und medizinischen Helfer:innen bedanken!
Nach diesem sehr großen Schreckmoment ist die Partystimmung natürlich nicht wieder zu holen. Die Sani-Zelte sind überfüllt, an jeder Ecke hustet es, viele verlassen das Gelände. Der Auftritt von The Kooks muss selbstverständlich abgesagt werden. Ebenfalls besonders schwer trifft es den Rapper Cro. Vor der Blue Stage erwartet ihn zwar ein weiterhin gut gefülltes Feld an Menschen, aber die Masse ist ausgelaugt, teilweise noch unter Schock. Doch Cro gibt alles - er holt The Kooks für die zwei Hits „Ooh La“ und „Seaside“ auf die Bühne, liefert eine starke Show mit beachtlichem Bühnenbild und Featuregästen von 01099 (die vorher auch bei Ski Aggu auftraten) bis Badchieff. Für alle, die danach noch Energie haben für mehr Musik und ordentlich Rock, betreten nach Cro noch Rise Against die Bühne. So endet dieser bedrückende Abend immerhin mit einem musikalischen Highlight.
Auch am Sonntag, dem letzten Tag des Highfields, will sich die gute Stimmung nicht so recht blicken lassen. Das graue Wetter und der später einsetzende Nieselregen helfen da genauso wenig, wie der unvermeidbare Blick auf das teilweise schwarz verkohlte Riesenrad. Nur ein Blick auf den heutigen Timetable muntert auf. Den frühen Vogel macht an diesem Sonntag Aaron, den die breite Masse sicherlich vor allem von „meinen die uns“ zusammen mit Zartmann kennt. Danach geht es genauso stark mit Ok.Danke.Tschüss und Shitney Beers weiter und so langsam tauen die Highfield-Besucher:innen auf. Als dann am frühen Nachmittag Dilla die Blue Stage betritt, gibt es kein Halten mehr. Die junge Sängerin, die einen Teil ihrer Kindheit in Leipzig verbrachte, ist fassungslos und freut sich, dass „mehr als 20 Leute“ erschienen sind. Dabei muss sie sich gar keine Sorgen machen: das Highfield ist hin und weg.
Etwas skeptischer geht das Publikum dann an den nächsten Act heran: Nico Santos. Dass die Crowd gefühlt jeden Song aus dem Radio kennt, nutzt der Sänger schlau aus. Da wird aus „Better“ schnell eine Rockvariante gezaubert, mit einer großartigen Live-Band überzeugt und ganz überraschend plötzlich der von Roy Bianco und die Abbrunzati Boys bekannte Schlagerstrudel eröffnet.
Nach diesem Auslug in radiotaugliche Gefilde begibt sich, zumindest die Jugend, wieder Richtung Dance-Rap und begrüßt $oho Bani mit lautem Jubel auf der Blue Stage. Mit Jan Delay ähnelnder Stimme und genug Energie für zehn Leute überzeugt $oho Bani nicht nur mit emotionalen Songs wie „Blocktherapie“, sondern auch mit seinem endgültigen Durchbruchsong „Zeit, dass sich was dreht“.
Wer danach wieder Interesse an mehr Gitarren hat, der kann sich bei Olli Schulz & Band, Bukahara oder Flogging Molly wieder komplett der Indie und Rockmusik hingeben. Etwas ruhiger und besinnlicher, aber dennoch ohne Langeweile, betritt am frühen Abend Bosse die Bühne. Wie immer gut gelaunt, tanzend und mit großer Live Band spielt der Niedersachse gegen den Regen an und hat musikalisch alte Klassiker und neue Hits im Gepäck.
Und wem das jetzt noch nicht international genug ist, für den gibt es dann die Abendgestaltung des letzten Tages. Den Anfang machen hier Mando Diao, selbstbezeichnet „your favorite Rock’n’Roll band“. Sänger Björn begibt sich sogar ins Publikum, bezeichnet dabei aber jede Frau als „Baby“ und holt sich die Sympathiepunkte erst wieder etwas zurück als er und seine Band im letzten Drittel zu den lang ersehnten Mando Diao Hits kommt. Von „Black Saturday“, über „Down in the Past“ hin zu „Dance with Somebody“.
Den Abschluss den Festivals macht Macklemore und lässt sich dabei nicht lumpen. Neben einem großartigen Auftritt seinerseits kommt es in den eineinhalb Stunden auch zu einem Dance Battle, dem Playback-Auftritt eines Fans und diversen politischen und menschlichen Statements. Dabei kommt die Musik aber natürlich nicht zu knapp. „These Days“, „Thrift Shop“, „Glorious“ - die Liste ist beinahe unendlich.
Gegen null Uhr endet die Show und somit auch ein erlebnisreiches Highfield Festival 2024, voller Aufs und Abs, das vor allem eines gezeigt hat: wichtig sind die Menschen, die Musik und das Miteinander. Für das kommende Jahr wurde übrigens noch am Sonntag der erste Headliner angekündigt und die Besucher:innen dürfen sich auf niemand geringeres als K.I.Z freuen. Tickets gibt es wie immer hier!